7.2.1 Beispiele zur Arbeit mit Ego-States
1. Beispiel zur Arbeit mit traumatisierten Ego-States
Situation: Ein Klient leidet unter Flashbacks, die durch ein Kindheitstrauma ausgelöst werden. Der Klient berichtet von intensiven Gefühlen von Angst und Hilflosigkeit in bestimmten Situationen.
Vorgehen:
1 Identifikation:
- Der Therapeut bittet den Klienten, die Emotionen, die während der Flashbacks auftreten, zu beschreiben.
- Durch achtsame Imaginationsübungen wird der Ego-State angesprochen, der für die Flashbacks verantwortlich ist.
- Dieser Ego-State wird z. B. als ein „verletztes inneres Kind“ wahrgenommen.
2 Kontaktaufnahme:
- Der Therapeut spricht direkt mit dem Ego-State: „Ich spüre, dass du ängstlich bist. Erzähle mir etwas darüber, was dich so erschreckt?“
- Ziel ist es, dem Ego-State zu signalisieren, dass er gehört und verstanden wird. (Würdigung des Leids)
Sicherheit schaffen:
- Der Therapeut kann eine sichere innere Umgebung für den Ego-State schaffen (z. B. einen „sicheren Ort“ visualisieren, an dem sich der Ego-State geschützt fühlt).
Reintegration:
- Sobald das verletzte innere Kind verstanden wurde, hilft der Therapeut dem Klienten, diesen Ego-State zu beruhigen und ihn als Teil seiner Persönlichkeit anzunehmen.
- Der Erwachsene in der Gegenwart übernimmt eine schützende, fürsorgliche Rolle für das verletzte innere Kind.
Ziel: Das Trauma verliert an Macht, da der abgespaltene Ego-State integriert wird (neuronale Vernetzung) und der Klient nicht mehr von Flashbacks überwältigt wird.
2. Beispiel: Umgang mit innerem Kritiker
Situation: Ein Klient hat einen starken „inneren Kritiker“, der ihn ständig abwertet „Du bist nicht gut genug“, „Das schaffst du sowieso nicht“. Diese Glaubenssätze führen zu Selbstzweifeln und Stress.
Vorgehen:
1 Personalisierung des Kritikers:
- Der Therapeut hilft dem Klienten, den inneren Kritiker als Ego-State zu identifizieren und ihn zu personifizieren. (Externalisierung)
- Der Kritiker könnte z. B. als eine strenge Lehrerin oder ein kritischer Elternteil dargestellt werden.
2 Dialog mit dem Kritiker:
- Der Therapeut lädt den Kritiker zu einem Gespräch ein: „Was ist dein Ziel, wenn du den Klienten kritisierst?“
- Oft stellt sich heraus, dass der Kritiker den Klienten eigentlich „schützen“ möchte (z. B. vor Misserfolg oder Ablehnung).
3 Verhandlung:
- Der Therapeut verhandelt mit dem Kritiker und bittet ihn, seine Aufgabe zu ändern. Zum Beispiel könnte der Kritiker lernen, motivierende statt abwertende Botschaften zu senden.
4 Integration:
- Der Kritiker wird als eine positive Ressource integriert, die dem Klienten hilft, realistische Ziele zu setzen und konstruktiv mit sich selbst zu sprechen.
Ziel: Der Klient erlebt weniger Selbstkritik und entwickelt eine freundlichere, unterstützende innere Stimme und Haltung zu sich selbst.
3. Beispiel: Konflikte zwischen Ego-States
Situation: Ein Klient fühlt sich innerlich zerrissen, weil ein Teil von ihm sich nach Sicherheit sehnt (z. B. in einer festen Beziehung bleiben möchte), während ein anderer Teil nach Freiheit strebt (z. B. eine Trennung wünscht).
Vorgehen:
1 Identifikation der beiden Ego-States:
- Der Therapeut hilft dem Klienten, die beiden widerstreitenden Teile in sich zu benennen. Der eine könnte z. B. als „der Sicherheitswächter“ und der andere als „der Abenteurer“ bezeichnet werden.
2 Dialog zwischen den Ego-States:
- Der Therapeut ermöglicht ein imaginäres Gespräch zwischen den beiden Ego-States.
- Beide dürfen ihre Bedürfnisse und Ängste äußern, z. B.:
- Sicherheitswächter: „Ich habe Angst, dass wir verletzt werden, wenn wir uns trennen.“
- Abenteurer: „Aber ich habe das Gefühl, dass wir in dieser Beziehung nicht glücklich sind.“
3 Finden eines Kompromisses:
- Der Therapeut hilft, einen Kompromiss zu finden, der die Bedürfnisse beider States berücksichtigt. Zum Beispiel könnte der Abenteurer kleine Schritte in Richtung Freiheit machen, während der Sicherheitswächter dabei unterstützt wird, sich sicher zu fühlen.
4 Integration:
- Beide Ego-States arbeiten zusammen, sie kooperieren, anstatt gegeneinander zu kämpfen.
Ziel: Der Klient fühlt sich weniger zerrissen und kann Entscheidungen treffen, die sowohl Sicherheit als auch Freiheit berücksichtigen.
4. Beispiel: Stärkung von Ressourcen
Situation: Ein Klient hat Schwierigkeiten, sich durchzusetzen, weil er sich oft unterlegen fühlt.
Vorgehen:
1 Entdecken eines stärkenden Ego-States:
- Der Therapeut hilft dem Klienten, einen „ressourcenreichen“ Ego-State zu finden. Das könnte z. B. eine Erinnerung an eine Zeit oder einen Kontext sein, in der der Klient selbstbewusst gehandelt hat.
2 Aktivierung dieses States:
- Der Klient wird ermutigt, die Gefühle und Körperempfindungen dieses States bewusst zu erleben und zu verstärken.
3 Transfer in den Alltag:
- Der Klient übt, diesen stärkenden Ego-State in schwierigen Situationen bewusst zu aktivieren (z. B. durch Visualisierungen oder spezifische Ankertechniken).
Ziel: Der Klient hat mehr Zugang zu inneren Ressourcen und kann selbstbewusster handeln.
Fazit
Die Arbeit mit Ego-States basiert darauf, dass verschiedene Ich-Zustände (Ego-States) in einer Person oft unterschiedliche Bedürfnisse, Überzeugungen oder Erinnerungen repräsentieren. Wenn diese Ego-States miteinander in Konflikt geraten oder konkurrieren, kann das zu innerer Zerrissenheit, Stress oder psychischen oder körperlichen Symptomen führen. Die Therapie zielt darauf ab, diese inneren Konflikte aufzulösen und die Ego-States in eine kooperative Beziehung zu bringen.
Literatur
Kai Fritzsche und Woltemade Hartman. Einführung in die Ego-State-Therapie (Carl-Auer Compact)
Online
https://de.wikipedia.org/wiki/Woltemade_Hartman
Videos auf YouTube https://shorturl.at/4dN1Q
Nr. 7 :: Ego States – Übersicht
Nr. 7.1 :: Ego States und Transaktionsanalyse
Nr. 7.2 :: Ego-States und Hypnotherapie
Nr. 7.2.1 :: Beispiele zur Arbeit mit Ego States