Gegenübertragung (GÜ)

siehe auch Hirnforschung 22. Einheit.

Gegenübertragung ist ein vielseitig benutzter Begriff. Hier verwenden wir ihn in 2 Konstruktionen:

  1. der Klient induziert in uns seine eigene Beziehungsmuster und wir können aufgrund unserer Wahrnehmungseinstellung rückbezüglich diagnostische Hypothesen über die Beziehungsmuster und -angebote des Klienten stellen.
  2. der Klient aktiviert in uns eigene entwicklungsgeschichtliche Beziehungsmuster. (Siehe auch im übernächsten Beitrag die Übung zur GÜ.

Den Unterschied zum „normalen“ Klienten erkennen wir an der besonderen GÜ:

  • Wir sind erstaunt, daß die Beziehung, obwohl wir meinten, sie sei doch irgendwie gut vorhanden, plötzlich nicht mehr bestehen soll.
  • Wir werden versetzt und wundern uns.
  • Absprachen wurden zugesagt, jedoch nicht eingehalten und wir sind enttäuscht.
  • Es gibt gute und scheinbar weiterführende Gespräche und es entsteht in uns die Hoffnung, der Klient strebe Veränderungen an – plötzlich bemerken wir, daß es Augenblicke der Überraschung gibt, denn etwas Bestimmtes hört sich so an, als sei es nie gesagt und besprochen worden und wenn wir uns versichern wollen, ob wir unserer Erinnerung trauen können, erfahren wir vom Klienten Unverständnis und Ärger und langsam werden wir selbst wütend, weil das alles nicht zu den Hoffnungen passen will, die wir gerade noch hatten.

Dazu muß man wissen, daß wir alle versuchen, die früher einmal gelernten Beziehungsmuster immer wieder anzuwenden und wiederherzustellen (Wiederholungszwang, neuronal gebahnt). Diese Muster sind unsere Welt, darin kennen wir uns aus. Andere sollen sich dieser Welt und ihren Mustern möglichst anpassen damit sie zu uns passen, d. h. wir alle versuchen, andere in die für uns typischen Beziehungsmuster zu verstricken. Natürlich machen Klienten dies ebenso wie wir alle. Das besondere Handikap der Klienten besteht darin, daß sie

  • wenig Muster und Optionen zur Auswahl haben
  • ihre eigenen Muster zu wenig variieren und anpassen können
  • die Muster anderer nicht adaptieren können.

Wenn wir uns dem Beziehungsmuster eines Klienten entsprechend verhalten sollen, können grundsätz­lich zwei verschiedene Muster hergestellt werden: Der Klient macht uns dazu,

  • wie er sich selbst als Kind bzw. in seiner Entwicklungsgeschichte wahrgenommen hat
  • wie sich seine Mutter/Vater/Geschwister/wichtigste Bezugpersonen in seiner frühen Kindheit und Entwicklungsgeschichte erlebt haben – zirkulär: aus seiner Wahr-nehmungsposition heraus !

Wir werden in diese Beziehungsmuster verstrickt und sollen uns entsprechend verhalten, handeln, denken, fühlen usw.

Wenn ich mir das jeweilige Strickmuster der Beziehung zum Klienten bewußt machen kann,

  • behelligt es mich mit den damit verbundenen Affekten nicht mehr
  • werde ich mich weniger verstricken lassen
  • kann ich den Faden neu aufnehmen und mitstricken.