Spiegelneuronen
Da wir uns mit dem Gehirn beschäftigen, sollten wir uns noch den Spiegelneuronen zuwenden. Der Begriff Spiegelneuronen ist allerdings etwas unscharf, da es sich nicht um besondere Neuronen handelt, sondern um die spezifische Vernetzung, aber das kannst Du besser woanders nachlesen. Mich interessieren hier wieder jene Aspekte, die für unser Arbeiten von Bedeutung sind.
Bleiben wir bei dem Sammelbegriff „Spiegelneuronen“. Sie ermöglichen es uns, Empathie zu entwickeln, womit sich eine Welt weiterer Kommunikationsaspekte eröffnet:
1. TOM, die Theory of Mind – eine deutschsprachige Entsprechung ist mir nicht bekannt. Sie entwickelt sich im Vorschulalter als a) die Fähigkeit, die Emotionen anderer und b) kognitiv die Absichten anderer erkennen zu können.*
2. TOM ist die Grundlage des Mentalisierungskonzeptes – der Begriff steht für die Fähigkeit, das eigene Verhalten und das Verhalten anderer Menschen durch Zuschreibung mentaler Zustände zu interpretieren. Wenn jemand in den Raum kommt, dann kann ich einigermaßen treffend erahnen (mentalisieren) wie ist derjenige gerade drauf (Emotion), oder ich diskutiere mit jemandem und ich kann mentalisieren, was ist sein Weltbild, seine Anschauungen, Einstellungen etc. (Kognitionen).
3. Fehlt die TOM, dann hat man Asperger (Autismus-Spektrums-Störung) oder eine Störung aus dem schizophrenen Formenkreis oder eine Borderline Persönlichkeitsstörung oder eine Depression, d. h. man hat keine oder wenig Fähigkeit, sich selbst zu mentalisieren und sich in jemand anderes hineinzuversetzen.
zu 1. bis 3. gibt es eine ganz hervoragende Dissertation, die ich Euch zum Lesen empfehle: Maria Christine Mauer. Das Konstrukt der Theory of Mind bei Erwachsenen. Eine konzeptuelle Beschreibung und Anwendung auf die Psychopathologie und Therapie zweier Patientengruppen. München 2012
4. Unter dem Begriff Referenz nimmt diese Arbeit auch mehrfach Bezug auf die Fähigkeit oder Unfähigkeit mittels eigener Selbstbeobachtung wahrzunehmen, wie reagiere ich auf die Umwelt, was bewirke ich dort, wie wirkt das auf mich zurück, wie wirke ich mit dem was ich mache auf mich selbst zurück und wie kann ich das (also mich) selbst steuern. Ich spreche im Folgenden vom Inneren Beobachter, den viele unserer Klienten und Kunden nicht in einem ausreichenden Maße haben.
5. Der professionelle Arbeitsaspekt GÜ – Gegenübertragung. Folgende Metapher könnte hilfreich sein: Stell Dir mehrere Klaviere vor. Jedes ist aus einem anderen Holz geschnitzt, hat unterschiedliches Alter mithin auch Erfahrungen, ist größer oder kleiner und so weiter. Das soll unseren Berater-Beckground symbolisieren. Nun spielt jemand (Klient) auf dem Klavier und bringt mittels seines Anschlages Melodien zum Erklingen, deren Färbung je nach Klavier bzw. Background unterschiedlich klingen. In der Beratung bin ich das Klavier und der Klient spielt mit seinen Beziehungsmustern (Übertragung) auf meiner Klaviatur, meinen Beziehungsmustern (Gegenübertragung), infolge dessen ich auf den Klienten reagiere, von überschwenglicher Sympathie bis tiefer Enttäuschung, Verärgerung, Wut.
In und nach einem Termin mit einem Klienten ist es hilfreich, zu reflektieren: Wie geht es mir jetzt nach diesem Kontakt, nach diesem Termin?
Merksatz: Je intensiver und heftiger meine eigenen Reaktionen auf das Verhalten meines Klienten zu spüren sind, desto wahrscheinlicher ist Gegenübertragung im Spiel. Ebenso gilt das Gegenteil: Je unbeteiligter und gleichgültiger …. !
Das heißt, das was ich gerade spüre, wie es mir gerade geht, was ich empfinde, sind nicht meine eigenen Emotionen und Affekte, sondern jene, die der Klient mit seinem spezifischen Beziehungsmuster in mich induziert hat.
Merksatz: Lerne zu unterscheiden (z.B. durch eigene Selbsterfahrung, Therapie, Lebenserfahrung) was von einer Gegenübertragungsreaktion sind Deine eigenen Anteile, Dein (Klavier) Background und was hat der Klient in Dich induziert.
Das sehr differenziert unterscheiden zu lernen, ist eine der besten Burnt Out Prophylaxen!
Daraus folgt unsere Fehlerkultur:
Mit dem Konzept der Gegenübertragung im Kopf werde ich in der Arbeit mit Klienten keine wirklichen Fehler machen können, es sei denn ich unterlasse es, vor dem jeweils nächsten Kontakt, die Beziehung, d. h. das Strickmuster in der Beziehung zu mir zu überprüfen, um festzustellen, wie ich mitstricke.
Zumindest in den ersten 10 Berufsjahren sollte man das nicht alleine tun, sondern Kollegen, das Team, die Supervision zur Hilfe nehmen. Das klingt zwar aufwendig, nutzt man es jedoch konsequent, verkürzen sich Beratungszeiten enorm und die eigene Arbeitszufriedenheit bleibt stabil oder wächst sogar. Ich selbst hatte das Glück, in einem Team zu arbeiten, in dem wir von 1982-1989, also 7 Jahre lang an ca. 40 Mittwochen im Jahr für 1,5 h Supervision bei einer hervorragenden Psychoanalytikerin wahrnehmen konnten – das waren noch Zeiten.