Das 3. Familiengespräch ist zugleich auch die Kontraktsitzung für das Beratungssystem (Familie+BeraterIn+Co-BeraterIn).

Wenn Du noch keine Übung mit Familiengesprächen und -beratung hast, nimm Dir besser 3 bis 5 Sitzungen Zeit: Du brauchst vor dem Kontrakt ein paar tragfähige Hypothesen über die psychischen Systeme der einzelnen Familienmitglieder und über das Familiensystem als solchem. Ich habe in über 35 Jahren hunderte solcher Gespräche erlebt und kann in 3 Sitzungen Hypothesen entwickeln.

Habe ich derleit Hypothesen und kann mit vorstellen mit dieser Familie zu arbeiten, dann sitze ich mit der Familie zu Beginn der 3. Sitzung da und beginne ich gerne damit, daß ich zuversichtlich sage, daß ich gerne mit ihr arbeiten möchte. Ich wollte zwar gleich noch eine Kleinigkeit überpüfen, möchte aber vorher gerner wissen, wie die Entscheidung der Familie ist. Dann mit Blick auf die beiden Erwachsenen (denn die haben die Hauptverantwortung): Wer von Euch beiden möchte mir etwas dazu sagen?!

Ob sie nun einhellig bestätigen, daß Sie gerne mit mir arbeiten möchten oder ob es noch Unsicherheit gibt, ich kann mit beiden Varianten gleich weiter arbeiten: Eine Unsicherheit oder Unentschlossenheit würde ich nun mit Verweis auf meine Eingangsbemerkung, daß ich gerne noch etwas überpüfen möchte, utilisieren. Oh, dann geht es Ihnen vielleicht ähnlich wie mir – ich wollte ja auch noch etwas überprüfen!

Diese Überprüfung bezieht sich auf die Flexibilität der Einzelnen, der Subsysteme und des Gesamtsystems mit mir zu kooperieren und mir selbst zu zeigen, wie anschlußfähig ich werden könnte. Siehe die Aspekte im Blogbeitrag: https://systemische-fortbildung.de/2020/07/24/blog-seminar-3-einheit-familiensystemisch-arbeiten

Mein Arbeitsmittel für diese Überprüfung ist das Doppeln*: Ich beginne mit den beiden Erwachsenen und wähle entweder einen schon benannten Fokus von heute oder greife einen aus der letzten Sitzung wieder auf. Ich wähle etwas bei dem sich beide uneins sind und bringe sie darüber ins Gespräch. Ich warte ab, bis beide bei einer Sequenz gelandet sind, bei der sie nun die 3. Schleife drehen und mit deutlich ist, beide kommen alleine nicht weiter oder werden gleich den Fokus wechseln. Ich unterbreche und mache transparant, was ich beobachtet habe. Dabei formuliere ich „weich und sozialverträglich“: Ah ja. so macht Ihr beide das manchmal, Euch ein wenig im Kreis zu drehen. (Bei so einer Bemerkung achte ich auch auf die beiden Kinder (der Familie Machmal), die mir oft Zustimmung signalisieren.)

Ich würde Euch gerne zeigen, wie ich mit Euch in solchen Situationen arbeiten könnte. In der Regel ist bei aller Aufregung und Unsicherheit genug Neugierde dabei, sich darauf einzulassen.

Für Doppeln gibt es viele Varianten*, Indikationen und Einsatzmöglichkeiten. Ich wähle hier eine „leichte“ Form, denn ich möchte ja niemand überfordern oder verschrecken. Das Arbeitsbündnis ist noch zu neu für gewagte Interventionen. Wurde mir zugestimmt, nehme ich meinen Stuhl und setze mich z. B. etwas schräg seitlich neben Herrn M. und bitte beide Partner sich gegenüber sitzend zu rücken. Herr M. sage ich sicherheitshalber, um den Rapport zu erhalten: Sollte ich Ihnen zu Nahe kommen, dann sagen Sie es mir bitte gleich. Ich vergesse manchmal den Abstand vor lauter Engagement mit Ihnen. Und zu Frau M. Sie natürlich auch bitte.

Dann greife ich einen Satz von Herr M. heraus mit dem er bei seiner Frau nicht weiter kam: Sie sagten vorhin zu Ihrer Frau sinngemäß: …… Wie hatten Sie das gleich nochmal formuliert? Sollte Herr M. auf dem Schirm habe, was ich meine, bitte ich ihn, das seiner Frau nochmals zu sagen. Ich schaue, wie Frau M. reagiert, z. B. aversiv. Ich wieder zu Herrn M. Sie haben das Gesicht Ihrer Frau gesehen. Ich bin nicht sicher, ob sie genau verstanden hat, was sie meinen. Jetzt rücke ich meinen Stuhl in die Mitte, so daß zw. den beiden und mir ein Dreieck entsteht und ich gleichzeitig gegenüber den beiden Kindern sitze und sie gut im Blick habe.

Sehen Sie, ich hätte auch mit Ihnen Frau Machmal beginnen können und würde jetzt auf den gleichen Punkt hinweisen: Wir haben 2 Möglichkeiten in der Kommunikation. 1. Kann ich mich gut genug verständlich machen? 2. Werde ich vom anderen verstanden? Ich werde nun nur überprüfen, ob beide und die Kinder verstanden haben, was ich meine. Eine Diskussion unterbinde ich freundlich aber entschlossen.

Herr M., ich möchte noch eine Sequenz mit Ihnen beiden weitermachen. Ich sage hier bewußt nicht, daß ich mit ihm weitermachen möchte, obwohl ich wieder zu ihm herumrutsche. Denn es geht ja um die Kommunkation zwischen beiden.

Ich werde nun Herrn M. seinen Satz nochmals sagen lassen (immer in Richtung seiner Frau als Adressatin) und ihn bitten, auf seine Wortwahl (Kognitionen, Oberflächenschicht) zu achten, solange bis er mit seiner Wortwahl zufrieden ist.

Nun sagen Sie diesen Satz noch einmal und hören sich dabei selbst zu: Wie hört sich Ihr Tonfall (Affekte, Tiefenschicht) an? Er sagt …. Sind Sie zufrieden mit Ihrer Stimme, dem Tonfall? Nun werden wir solange „basteln“ bis er selbst zufrieden ist. Das werde ich ich würdigen !!! Nun ein letztes Mal bitte mit Ihren Worten und Ihrem Tonfall: Er sagt es ……

Ich verharre Frau M. beobachtend eine kurzen Moment, mache eine Geste, sie möge warten und rutsche zu ihr hinüber. Oft sage ich dann bezugnehmend auf ihre Körpersprache, meist Mimik, aber auch Gestig, oder Änderung der Körperhaltung, z. B. so oder anders: Ihr Gesicht spricht Bände. Bitte geben Sie Ihrem Mann eine sprachliche Zusammenfassung: … Sie sagt etwas zu ihm …

Nun werde ich mit ihr die gleiche Arbeit beginnen, wie zuvor mit ihrem Mann. Ich schließe damit ab, indem ich mich wieder in Dreiecksmitte setze, um zu verdeutlichen, daß wir heute nicht zu einer inhaltlichen Klärung kommen werden. Ich wollte doch überpüfen, wie gut wir zusammen arbeiten werden können. Und Sie beide haben mich überzeugt, daß Sie miteinander einiges verändern möchten und bereit sind, daran zu arbeiten. Und ich habe das Gefühl und den Eindruck, daß ich lernen kann, Sie alle zu verstehen, aber mehr noch wie Sie alle künftig besser kooperieren (zusammen arbeiten) können und darüber die Konflikte (oder was auch immer das Ziel ist) auf- lösen können. Sind Sie auch bereit?!

Beide Sequenzen dauern in der Regel so etwa 2 x 20 Min. Zwischendurch schaute ich immer mal nach den Kindern und erhaschte Blickkontakt. 40 Min. stillsitzen und den Eltern zuhören haben sie ja noch nie gemacht. Das ist schon eine Anforderung, die umso mehr nach den beiden Sequenzen gewürdigt werden sollte. Andererseits ist meine Erfahrung aber, daß die Kinder so aufmerksam dabei sind und mit großen Ohren zuhören und staunen, was da gerade zwischen ihren Eltern geschieht und ich immer wieder hoffe, Ihr Zutrauen zu gewinnen, daß sie in mir jemand sehen, der steuernd mit dabei ist und Sicherheit vermittelt.

Morgen schreibe ich noch etwas mit Ausblick auf die weitere Arbeit – und dann geht es in eine Weihnachtspause.


  • außer einigen Websites aus dem Psychodrama-Kontext ist mir keine Online-Quelle bekannt, die sich mit Doppeln im Familienberatungs- oder -therapiekontext beschäftigt. Wer da was weiß – ich freue mich über Infos.

Literaturempfehlung mit einem ausführlichen Kapitel zum Doppeln: Karl Benien. Beratung in Aktion.