5.1.1 unerwünschtes Verhalten

Jugendliche in der Pubertät neigen in nicht vorhersehbaren Phasen immer wieder zu impulsivem Verhalten, das mitunter in Aggressivität, Wut oder Respektlosigkeit abgleitet. [Achtung den folgenden Satz bitte ganz genau lesen!] Das sollten Eltern nicht persönlich nehmen, wenn sie nicht gerade davon ausgehen, daß ihr Max ein grundsätzlich böser Mensch ist, sondern eigentlich ein ganz netter Sohn.

Nicht persönlich nehmen …

… hieße, z. B. sich zu sagen, er ist es gar nicht, es ist ja nur die Pubertät und sie geht vorbei und damit dann auch das respektlose Verhalten. Also bitte geduldig bleiben und ignorieren.

Ja, Sie haben richtig gelesen:

Merke: Bitte unerwünschtes Verhalten ignorieren!

Die Lerntheorie lehrt uns,

  1. daß Verhalten verstärkt wird, wenn es beachtet wird. Das gilt grundsätzlich für jedes Verhalten, egal ob es erwünscht ist oder unerwünscht. Zuwendung ist ein potentieller Verhaltensverstärker.
  2. Je unmittelbarer und zeitnaher Sie auf ein Verhalten reagieren, desto wahrscheinlicher wirkt die Verstärkung, je später Sie reagieren, desto unwahrscheinlicher wirkt die Verstärkung.
  3. Je emotionaler Sie auf ein Verhalten von Max reagieren, desto größer die Chance oder das Risiko, daß das erwünschte oder unerwünschte Verhalten besonders intensiv verstärkt wird.
  4. Daher auch bei unerwünschtem Verhalten am besten cool bleiben. Wenn Ihnen das nicht leicht fällt – sorry, Ihr Problem, dafür kann ja Max nichts.

Beispiel: Max kommt abends bekifft nach Hause. Sie sehen den trüben Blick in seinen Augen und regen sich tierisch auf, was das denn nun schon wieder sollte. Er solle nicht mit dem Kiffen anfangen. Am besten schimpfen und toben Sie bis der Junge Sie einfach stehen läßt. Damit hätten Sie einen ziemlich treffsicheren Verstärker gesetzt und das Gegenteil von dem bewirkt, was Sie eigentlich erreichen wollten. Zumindest ist das Risiko beträchtlich. Würde ich nicht eingehen. Geht also so nicht.

Übrigens, sind Sie Hundebesitzer und waren Sie mit Ihrem Hund in der Hundeschule? Da lernt man so etwas. Und wenden Sie bitte nicht ein, Sie wollten Ihren Max doch nicht wie einen Hund behandeln, denn dann antworte ich: Aber bitte auch nicht schlechter. Denn was für Hunde in Bezug auf die Grundsätze sozialen Lernens gilt, das sind nun wirklich die Basics.

Gut, zurück zu Ihnen und zu Max und zum Elternverhalten. Es gilt also der Grundsatz:

Merke: Unerwünschtes Verhalten von Max wird künftig ignoriert.

Beispiel :: Max kommt abends bekifft nach Hause: Sie sitzen vor dem Fernseher oder lesen ein Buch. Wenn Max kurz reinschaut, sagen Sie so als wäre nichts, kurz „Guten Abend“. Wenn es dabei bleibt, weil Max sich verzieht, war es das für diese Situation.

Sollte Max aber mit Ihnen ein Schwätzchen halten oder irgend etwas besprechen wollen, werden Sie total abgeklärt und cool sagen: „Max, ich sehe, Du hast was konsumiert. Ich möchte jetzt mit Dir nicht reden. Laß uns das auf morgen verschieben.“ Wenn er geht, ist es gut.

Wenn Max aber nachhakt, werden Sie sagen, immer weiter ganz cool: „Ich denke Du hast mich verstanden – morgen wieder!“ Wenn er geht, ist es gut.

Wenn er bleibt, legt er es vermutlich auf eine wie auch immer geartete Konfrontation an. Dann wenden Sie bitte Tit for Tat an.

Oder Ihre ganze Kreativität in originellem Verhalten ist gefragt:

Sie können, falls Sie das noch nie gemacht haben, sich auch anziehen und wortlos (aber bitte ohne erkennbaren Frust oder Groll, sondern ganz einfach COOL) für 60 Minuten (bitte eher länger als kürzer) das Haus verlassen oder falls Sie einen Garten und einen Holzklotz haben, Brennholz für den Winter hacken oder sonst etwas Ungewöhnliches tun, wie Wäsche waschen oder Bücher sortieren oder Zeitungsartikel völlig sinnlos ausschneiden oder Ihren Kühlschrank oder die Wohnung oder das Haus putzen und den Staubsauger rausholen oder oder oder so, was aber alles mit Max nichts zu tun haben darf. Das heißt, Sie wechseln Ihren Kontext und gehen aus dem „Max-Kontext“ so raus, daß es unwahrscheinlich sein sollte, daß er Ihnen folgt. Machen Sie einfach etwas, das aus Max Blickwinkel verrückt und völlig irre erscheinen muß. Machen Sie ihm ein Problem. Er soll sich mal fragen: Huch, was ist jetzt los? Glauben Sie mir, das tut Ihnen gut, denn Sie zeigen Autonomie und damit elterliche Präsenz!

Immer und immer wieder betone ich: das sind keine Strategien für normale Eltern-Kind-Beziehungen, sondern für Phasen der Pubertät, in denen Jugendliche nicht nur zu Respektlosigkeit und Grenzüberschreitungen im Verhalten neigen, sondern zudem auch noch unter Konsum stehen.