10.1.1 süchtiger Konsum bei Eltern

Ich erwarte von ratsuchenden Eltern nicht, daß sie ein alkoholfreies Leben führen, frage aber immer nach, ob sie gesund mit Alkohol umgehen. Der Konsum illegaler Rauschmittel ist natürlich inakzeptabel, weil strafbar, was im Justizbezug kein Vorbildung für die Jugendlichen wäre. Auch nach dem Gebrauch von Medikamenten sollte man fragen. Adipöse Eltern sind immer wieder ein Grenzfall – ich ringe mit ihnen um Ernährungsberatung, Arztbesuch und Gewichtsreduktion als Voraussetzung für das Elterncoaching.

Sonderfall Tabakkonsum

Kein Grenzfall, sondern eine absolute Kontraindikation sind rauchende Eltern. Sie wollen zumeist den Konsum nicht aufgeben und argumentieren, Zigaretten seien kein Rauschmittel und hätten keinen Einfluß auf die Psyche, was nicht stimmt! Man darf zwar unter Nikotineinfluß Auto fahren und ist insofern in der Wahrnehmung und den Entscheidungsfunktionen, die wir für den sicheren Straßenverkehr brauchen, nicht beeinträchtigt. Wenn man jedoch die Aussagen der Raucher Ernst nimmt: „Ich muß mich beruhigen, ich muß mal eine rauchen!“ „Das haben wir geschafft, jetzt haben wir uns eine verdient!“ ist der Zusammenhang zu Befindlichkeiten offenkundig und erst Recht im Entzug: „Ich halte die Nervosität nicht aus.“ „Ich habe es 4 Wochen geschafft, aber dann mußte ich wieder rauchen.“

Rauchen kommt einer Impulskontrollstörung (1) gleich, weil die Exekutivfunktionen beständig „verlieren“ und die Impulse „gewinnen“. Wenn wir von konsumierenden Jugendlichen und solchen mit Gamingverhalten erwarten, daß sie lernen, ihre Impulse (Wunsch nach Kiffen, nach Internetspielen, nach Erbrechen, sich selbst verletzen, Umgang mit Emotionen und Affekten etc.) unter Kontrolle bringen und halten, brauchen wir zur Einflußnahme Eltern, die leben und zeigen wie das geht.

Ein weiteres suchtbezogenes Argument, ausschließlich mit rauchfreien Eltern zu arbeiten, ist die Tatsache, daß an den Folgen des Rauchens in Deutschland jedes Jahres zwischen 100.000 und 120.000 Menschen sterben. Bei den alkoholbezogenen Gesundheitsstörungen und Todesfällen geht man von etwa 74.000 Todesfällen aus und die Zahl der drogenbedingten Todesfälle (zumeist durch Opiate, der Blogger) lag 2013 bei 1.002 Rauschgifttoten. Es ist meines Wissens kein Cannabistoter bekannt. Quelle: https://www.dhs.de/suechte

Wenn wir rauchende Eltern mit einem kiffenden Max vor uns haben und die Eltern dabei unterstützen, daß Max den Konsum aufgeben soll, dann gehen wir das absehbare Risiko ein, daß Max irgendwann sagen wird: Was wollt ihr Eltern eigentlich, ihr raucht doch! Dann ist Schluß mit der Einflußnahme, weil die Glaubwürdigkeit fehlt.

Tabakkonsum und Elterncoaching

Ich habe bei der Entwicklung des Elterncoaching viel Lehrgeld bezahlt. Ich hatte rasch herausgefunden, daß die Intervention der 14tägigen Sendepause bei rauchenden Eltern zu keinem Erfolg führte. Im Unterschied zu rauchfrei lebenden Eltern schaffen es die RaucherInnen entweder nicht, die 14tägige Ex-Kommunikation durchzuhalten, oder sie fallen danach rasch in ihr früheres Kommunikationsverhalten zurück.

Als ich 2004 das Buch Neuropsychotherapie von Klaus Grawe las, wurde mir der Zusammenhang klar. Seitdem verfolge ich die Hypothese, daß Klienten mit einer Impulskontrollstörung keine Hemmung gegen impulshaftes Sprechen aufbauen können. Ich habe es nach etlichen Fehlversuchen irgendwann aufgegeben, mit rauchenden Eltern das Elterncoaching zu beginnen. Seither erwarte ich von zuvor die Teilnahme an einem Nichtraucherprogramm (2).


(1) siehe Blog-Seminar Blog 1 Hirnforschung https://systemische-fortbildung.de/der-1-blog

(2) https://rauchfrei-programm.de