8.5 Drei-Generationen-Systeme

Drei-Generationen-Familien, oder auch Mehrgenerationen-Familien genannt, sollten besondere Beachtung finden, wenn die Großeltern an dem Aufwachsen und der Versorgung ihrer Enkelkinder maßgeblich beteiligt sind, vor allem wenn sie aktuell noch in der gleichen Wohnung oder im Haus leben oder auch in der gleichen Straße oder im Stadtteil.

Wir sollten heruasfinden, ob es Max mit 2 Müttern (Mutter und Großmutter) oder mit 2 Vätern (Vater und Großvater) zu tun hat. Es könnte in einer solchen Konstellation Zuständigkeits- und Rollenunklarheiten geben.

Ein Beispiel von Familie P. die ein großen Einfamilienhaus bewohnt:

Die 18jährige Andrea und der 16jährige Max leben im Dachgeschoß mit 2 Zimmern und einem Bad.
Vater und Stiefmutter leben auf der 1. Etage in einer geräumigen Wohnung.
Vaters Eltern leben im Erdgeschoß auf nahezu gleicher nur durch eine Garage verkleinerten Fläche.

Beide Eltern sind seit jeher voll berufstätig, so daß die Großmutter ihre beiden Enkelkinder während der Abwesenheit der Eltern in ihrer eigen Wohnung mit Essen und Hausaufgabenbetreuung versorgte. Darüberhinaus waren sich Andrea und Max frühzeitig sich selbst überlassen, zeigten sich aber auch sehr selbständig.

Während Andrea die Schule sehr leicht fiel, tat sich Max schwer und hatte Pech, weil er keinen Draht zu den Mitschülern und auch nicht zu den Lehrern fand.

Max begann mit 14 Jahren relativ rasch täglich zu kiffen, was den Eltern erst nach einem knappen Jahr auffiel. Beide Kinder bekamen ein angemessenes Taschengeld von den Eltern. Da Max zum Kiffen mehr Geld benötigte, half die Oma entweder aus oder er bediente sich an allen herumliegenden Geldbörsen immer wieder mit kleineren Beträgen, die sich aber summierten.

Als die Eltern das alles realisierten, reagierten sie mit Stubenarresten, denen sich Max natürlich wegen der Abwesenheit der Eltern entzog. Die Oma redete Max gut zu, er möge doch nicht so viel kiffen und den Eltern keinen Kummer bereiten, gab ihm aber gleichzeitig fortwährend Geld.

Mit dieser Drei-Generationen-Konstellation kamen die Eltern in die Beratungsstelle.

Merke: Frage bei neuen Fällen umgehend offensiv nach, ob und wo es noch aktiv beteiligte Großeltern gibt. Wir können nicht davon ausgehen, daß uns das die Eltern von sich aus erzählen.

Für eine Familientherapie könnte bedeutsam sein, ob eine bedeutsame Dysfunktion darin bestehen könnte, daß die Kinder so groß geworden sind, daß sie zwei Mütter (noch dazu Großmutter/Hausfrau in Konkurrenz zur Stiefmutter/Volljuristin) und zwei nicht beteiligte Väter hatten. Es hätten sich im Laufe der Jahre generationenüberschneidende Rollenkonfusionen entwickeln können, die es nun zu klären, zu würdigen, aber auch aufzulösen gelte.

Dazu haben wir im Elterncoaching weder den Auftrag noch die Zeit, weil Max sich gesundheitlich gefährdet. Zum Glück gibt es im systemischen Arbeiten, so auch im Elterncoaching, die Möglichkeit der Reduzierung von Komplexität und weil viele Wege nach Rom bzw. zur Konsumfreiheit führen.

Wir reduzieren die Komplexität auf einen die Generationenrollen klärenden Fokus nicht in der Vergangenheit, sondern im Hier und Jetzt. Aktuell fühlen sich die Eltern von Max dafür verantwortlich, daß sie sich für die Konsumfreiheit einsetzen wollen und müssen. Das darf natürlich nicht durch die Großelterngeneration torpediert werden, indem diese über den Konsum und seine Auswirkungen hinwegsehen und Max dazu noch weiterhin mit Geld versorgen.

Bevor wir mit dem eigentlichen Elterncoaching und der Sendepause beginnen können, muß diese Drei-Generationen-Szene geklärt werden. Das kann nur durch die Eltern geschehen, was nicht ganz einfach werden dürfte: Der Vater hatte sich bisher aus allem herausgehalten. Nun wird es sein Job sein, seinen leiblichen Eltern beizubiegen, daß sie für die nächsten 6 Monate (Zeit der Ruhephase) den Kontakt zu Max auf den Mittagstisch, Fernsehen und über Gott und Welt reden, beschränken müssen, ergo keinen Cent Geld mehr, keine Gespräche über die Familie mehr (mach Deinen Eltern keinen Kummer) und dergleichen mehr. Das zu klären ist die Voraussetzung für ein gelingendes Elterncoaching.

Inzwischen ist es mir noch lieber, die Eltern bringen die Großeltern, wie gesagt vor der Sendepause, zu einem ersten Gespräch zu mir. Ich kann mir dann einen Eindruck machen, ob die Großeltern überhaupt verstehen, um was es hier existentiell für Max geht. Primär klären muß das der Vater mit seinen Eltern. Mein Job ist es oft, allparteilich die jeweiligen Beteiligten darin zu unterstützen (zu doppeln), ihre eigenen Standpunkte zu klären und den anderen verständlich zu machen. Dazu braucht man manchmal 2 bis 3 Sitzungen bis in diesem Fall der Vater seinen Eltern eine glasklare Ansage macht, daß sie sich rauszuhalten haben und ich die Großeltern unterstütze, selbst bei mangelnder Einsicht, die Zusage abzuringen, daß sie den Vater und die Stiefmutter und mich nicht hintergehen, sondern sich loyal verhalten werden. Es ist ja nur für die nächsten 6 Monate.