4.5 Zusammenfassung (Wirksamkeit)

Zwischen 2002 und 2016 habe ich in der Suchthilfe mit ca. 300 Eltern (Fallzahl) das Coaching durchgeführt. Es dauerte ca. 3 Jahre bis ich nach „try and error“ – auf deutsch „Ausprobieren und Lernen durch Fehler“ mit vielen Eltern das Grundgerüst dieses Konzeptes entwickelt hatte. Ich danke den vielen KollegInnen und besonders auch den HochschulpraktikantInnen, die mich in dieser Zeit begleitet haben.

Auf mehreren Hamburger Suchttherapietagen habe ich das Konzept in Workshops vorgestellt und zur Diskussion gestellt. Ein Kollege, dem das Konzept überhaupt gefallen zu schien, warum auch immer, warf mir vorwurfsvoll vor, das Konzept und die Methodik seien nicht evidenzbasiert, sondern eminenzbasiert. (1) Was er wohl nicht erwartet hatte war, daß ich ihm (utilisierend) zustimmte und das als Kompliment auffaßte.

In der Tat hatte ich keine Gelegenheit in all den Jahren, eine katamnestische Untersuchung durchzuführen, wie sich das Coaching nach dem Coachingende auswirkte. Ich weiß aber, daß ich alle Coachings mit den Eltern so durchstanden habe, daß die Jugendlichen konsumfrei wurden. Es gabe eine überschaubare Zahl von unter 10 Fällen, die einen anderen Ausgang nahmen: Wegzug, stationäre Psychiatrie, Heimunterbringung, Weiterkonsum. Ich arbeitete mit Elternpaaren, getrenntlebenden Eltern, Alleinerziehenden und Großeltern. Ab 2007 begann ich mit Gruppen zu arbeiten, zeitweise mit 2-3 Gruppen parallel wöchentlich oder 14tägig. Alle fanden als geschlossene Gruppen statt, d.h. sowohl gemeinsamer Beginn als auch gemeinsames Ende nach Konsumfreiheit aller Jugendlichen. Einige dieser Gruppen trafen sich nach dem Coachingende weiter als Selbsthilfegruppe weiter ohne meine Leitung. Vielen Eltern schlossen nach soviel durchstandenem Leid Freundschaft miteinander. Ich bekam immer wieder einmal berührende Rückmeldungen, z. B. wenn ein ehemaliger „wildgewordener“, respektloser und aufsässiger Konsum geheiratet hatte und seine Eltern zu Großeltern gemacht hatte.

Eine kuriose Geschichte will ich noch erwähnen: Ich hatte in der Anfangszeit recht schnell herausgefunden, daß die Sendepause bei rauchenden Eltern keine stabile Wirkung entfalten konnte. In der Folge galt Nikotinkonsum als kontraindiziert. Ich forderte demzufolge rauchende Eltern auf, zunächst einen Rauchfrei Kurs zu belegen, nikotinfrei zu werden und sich dann wieder zu melden. Eine Mutter wollte das nicht verstehen und zeigte sich sehr erbost. Wochen später bekam ich über die Geschäftsleitung eine Beschwerde vom Petitionsausschuß des Landes zugestellt mit der Bitte um Stellungnahme, die ich dann gerne erläuternd schrieb.

Was dieses Elterncoaching so erfolgreich und wirksam macht, ist wissenschaftlich, evidenzbasiert, bisher nicht evaluiert worden. Ich habe da meine Hypothesen nach der Systematik von Klaus Grawe:

  • Therapeutische Beziehung: Die Qualität der Beziehung zwischen dem Psychotherapeuten, Berater oder Coach und dem Patienten bzw. Klienten trägt signifikant zu einem besseren oder schlechteren (Therapie-) Ergebnis bei.

    In meinen Zusatzausbildungen a) Systemische Therapie (bei Gisal Wnuk-Gette und Werner Wnuk) war ich geschult und trainiert an die Klienten „nahe ranzugehen“. Insbesondere die Arbeit mit Familien erfordert Flexibilität, personale Präsenz, eine respektvolle Art, nicht locker zu lassen und bei im Kontakt zu bleiben und b) die Hypnose-Ausbildung bei der MEG setze dem noch einen drauf, indem der Rapport zu den Klienten eine zentrale Rolle spielte, anschlußfähig zu bleiben. Mir ist bisher keine bessere Formulierung untergekommen, als zu sagen: Man muß seine Klienten „lieben“ damit man mit ihnen gut arbeiten kann.
  • Ressourcenaktivierung: Die Eigenarten, die die Klienten (die Therapie) das Coaching mitbringen, werden als positive Ressource für das (therapeutische) Vorgehen genutzt. Das betrifft vorhandene motivationale Bereitschaften, Fähigkeiten und Interessen der Klienten.

    Zu erkennen welche Ressourcen, Fähigkeiten, Möglichkeiten in den Eltern stecken und ihre Bereitschaft zu wecken, immer noch einen Entwicklungsschritt weiterzugehen, bedarf Standing beim Coach. Wem dieses Ringen um die Möglichkeiten Freude bereitet, wird mit den Eltern weit gehen können.
  • Problemaktualisierung: Die Probleme, die (in der Therapie) im Coaching verändert werden sollen, werden unmittelbar erfahrbar. Das kann z.B. dadurch geschehen, dass Therapeut und Klient reale Situationen aufsuchen, in denen die Probleme auftreten, oder dass sie durch besondere therapeutische Techniken wie intensives Erzählen, ImaginationsübungenRollenspiele o.ä. die Probleme erlebnismäßig aktualisieren.
    Problembewältigung: (Die Behandlung) Das Coaching unterstützt den Klienten mit bewährten problemspezifischen Maßnahmen (direkt oder indirekt) darin, positive Bewältigungserfahrungen im Umgang mit seinen Problemen zu machen.

    Reden allein hilft nicht. Klar ist es wichtig, Problemlagen einzugrenzen; weniger zu erforschen wie Probleme entstanden sind, sondern mehr wie sie aufrechterhalten werden; verstehen zu lernen, wie was (vor allem zirkulär) funktioniert oder nicht funktioniert usw.Dann muß die Arbeit aber weitergehen ins Erleben hinein. Problem würdigend: Wie erleben Sie sich und die Situationen, die Sie ändern wollen? Dieses Erleben muß der Coach spüren lernen!
    Ein Problem ist die Differenz aus einem einem Ist-Zustand und einem erwünschten Soll-Zustand. Die Klienten den erwünschten Soll-Zustand finden und entwickeln lassen mit allen dazugehördenden Submodalitäten (2) und zunächst im Schutze des Coachings diese erwünschten Zustände erleben zu lassen führt dann im Coaching zum Finden, Einüben und Trainieren der passenden Ich-Zustände, Emotionen und Verhaltensweisen in Bezug auf Max und Elternpräsenz.
  • Motivationale Klärung: (Die Therapie) Das Coaching fördert mit geeigneten Maßnahmen, dass der Patient ein klareres Bewusstsein der Determinanten (Ursprünge, Hintergründe, aufrechterhaltende Faktoren) seines problematischen Erlebens und Verhaltens gewinnt.

    Das Elterncoaching braucht Psychoedukation zur Motivationsstärkung. Eltern kommen in die Beratung mit einem Paket voller Schuldgefühle, sie währen daran Schuld, daß Max konsumiert. Es gibt keine Eltern, die alles richtig und perfekt machen. Dem wohnt eine Paradoxie inne: wären die Eltern perfekt, hätten die Kinder kein Modell, wie mit Fehlern umzugehen wäre, wie es wäre Konflikte zu bewältigen, Ungewißheiten auszuhalten usw. Insofern ist es gut, wenn Eltern dazu beitragen können, wenn ihre Kinder aufgrund der elterlichen Unzulänglichkeiten, eine milde „Neurose“ entwickeln können.Aber das Hause und das elterliche Beziehungsangebot ist nur eine Seite, die andere liegt in der Umwelt. In der Pubertät wird die Umwelt mehr oder weniger risikofreudig erkundet. Heutzutage ist die Verfügbarkeit von unterschiedlichsten Konsumstoffen vorhanden. Probierkonsum ist daher allseits möglich. Dabei haben Eltern sich auf „drohenden“ Probierkonsum nicht vorbereitet und niemand hat sie vorbereitet. Dazu gehörte das Wissen um das Wesen der verschiedenen Konsumstoffe ebenso, wie der Umgang mit den eigenen Kindern und dem Probierkonsum. Hier kann Psychoedukation ansetzen und Eltern u. a. vermitteln, daß entstehende Probleme primär bei den Konsumstoffen und ihren Wirkungen zu suchen sind, als am Elternverhalten. Das hilft zumindest teilweise, Eltern zu entschulden. Siehe Psychoedukation. U. a. verleiht der Kampf gegen die Drogen/Konsummittel/onlinespiele Eltern eine andere Motivation, als das Aufarbeiten der bisherigen Schuldgefühle. Wir müssen realisieren, daß zumeist die Zeit wegen der Gesundheitsgefährdung drängt und wir den Fokus auf die Zielverfolgung der Konsumfreiheit legen sollten, als auf die Aufarbeitung des Vergangenen. Das kann dann immer noch erfolgen.

(1) „Evidenzbasiert“ und „eminenzbasiert“ sind zwei unterschiedliche Ansätze in der Wissenschaft und Forschung, insbesondere im Bereich der Medizin und Gesundheitsversorgung.

„Evidenzbasiert“ bezieht sich auf die Verwendung von wissenschaftlichen Erkenntnissen und Forschungsergebnissen, um Entscheidungen zu treffen oder Behandlungsmethoden zu entwickeln. Die Evidenz basiert auf sorgfältig durchgeführten Studien, die einen bestimmten Eingriff oder eine bestimmte Behandlungsmethode in Bezug auf ihre Wirksamkeit, Sicherheit und Kosten untersuchen. Eine evidenzbasierte Entscheidung berücksichtigt die verfügbare Forschungsliteratur und wägt die Vor- und Nachteile ab, um die bestmögliche Entscheidung zu treffen.

„Emminenzbasiert“ hingegen bezieht sich auf Entscheidungen, die auf der Erfahrung und dem Urteil von Experten oder Autoritäten in einem bestimmten Bereich beruhen. Dies bedeutet, dass Entscheidungen basierend auf der Meinung und Erfahrung einer Person oder einer Gruppe von Personen getroffen werden, die als Experten auf einem bestimmten Gebiet gelten.

Der Unterschied zwischen evidenzbasierter und emminenzbasierter Entscheidungsfindung besteht darin, dass evidenzbasierte Entscheidungen auf empirischen Daten und Forschungsergebnissen basieren, während emminenzbasierte Entscheidungen auf subjektiven Erfahrungen und Meinungen von Experten beruhen.

In der Regel wird eine evidenzbasierte Herangehensweise bevorzugt, da sie eine objektive und fundierte Entscheidungsfindung ermöglicht, die auf umfassenden wissenschaftlichen Erkenntnissen basiert. Es ist jedoch wichtig zu beachten, dass eine emminenzbasierte Herangehensweise in einigen Fällen nützlich sein kann, insbesondere wenn evidenzbasierte Informationen begrenzt oder nicht verfügbar sind.

(2) In der Therapie bezieht sich der Begriff „Submodalitäten“ auf die feineren Unterscheidungen oder Elemente der Sinnesmodalitäten wie Sehen, Hören, Fühlen, Schmecken oder Riechen. Die Submodalitäten beziehen sich auf spezifische Merkmale dieser Sinnesmodalitäten, wie beispielsweise die Helligkeit, die Lautstärke, die Textur, die Farbe oder die Temperatur von visuellen, auditiven oder kinästhetischen Erfahrungen.

In der Therapie, insbesondere in der Neuro-Linguistischen Programmierung (NLP), werden Submodalitäten verwendet, um Veränderungen im Denken, Fühlen und Verhalten zu bewirken. Durch das bewusste Ändern von Submodalitäten können beispielsweise positive Emotionen verstärkt oder negative Emotionen abgeschwächt werden. Diese Technik kann auch genutzt werden, um unerwünschte Gewohnheiten zu ändern oder um Ziele zu erreichen.