Die Begrüßung beim Erstgespräch

… können wir bereits als eine familiensystemische Intervention nutzen und gestalten:

Die Familie klingelt an der Tür. Ich begrüße jede/n Einzelnen: Guten Tag, Frau Machmal. Sie sind die Ehefrau und Mutter. – Guten Tag, Herr Machmal– Sie sind der Ehemann und Vater dieser Kinder. – Guten Tag, Max Machmal. Du bist also der Sohn dieser Eltern. – Guten Tag, Inge Machmal. Du bist die Tochter von diesen Eltern und die Schwester von Max. – Prima. Dann kommt mal alle rein und ich führe Euch in unseren Gesprächsraum.

Systemkommentare

ICH liebe Rollenspiele, ich liebe Theater, ich liebe Konstruktionen von Wirklichkeiten. Ich möchte gerne jede/n von Euch ermuntern, zu spielen, nicht um die Klienten zu verhohnepipeln, sondern um sie herauszufordern, wie sie auf diese Konstruktionen und Rollenangebote eingehen und reagieren. Das ist gelebte Diagnostik.

Und es steckt in dieser Form noch viel mehr:

Würdigung

Nach der Devise = Haltung, daß erst eine Würdigung (von Leid) Neues möglich macht, begrüße ich jede/n sehr pointiert namentlich und mit prozeßverlangsamtem Blickkontakt, d. h. ich halte „Sekundenbruchteile“ länger als üblich die Hand* (Mist: jedenfalls in der Corona-Vor- und der Corona-Nach-Zeit) und ebenso länger als üblich und erwartet den Augenkontakt**. Und das mit der Haltung: ich bin interessiert ganz besonders an Ihnen / an Dir; gleichzeitig biete ich Kompetenz und Sicherheit an: Ich weiß, was ich hier tue! Ich kenne mich aus mit solchen Beratungen.

* Diagnostik: … um den einzigartigen Kontakt zu diesem Menschen zu spüren.
** Diagnostik: Hält er oder sie dem stand und den Augenkontakt aus? Was entsteht bei diesem kurzen aber intensiven Kontakt bereits für eine Gegenübertragung bei mir und in mir? Welche Affekte bekomme ich zu spüren? Welche Phantasien und Kognitionen entwickeln sich?

Zugehörigkeit

Ich füge bewußt auch bei den Kindern den Familiennamen zum Vornamen hinzu. Kinder brauchen oft besonders die Würdigung und Bestätigung, daß sie wirklich Teil dieser Familie Machmal sind.

Systemkommentar zur Subsystemrolle

Indem ich zusätzlich zum Namen auch die Zugehörigkeit zu den unterschiedlichen Subsystemen benenne (Vater-Mutter, Tochter-Sohn, Bruder-Schwester) signalisiere ich impliziet, wie bewußt, aufmerksam und ernst ich diese jeweilige Zugehörigkeit nehme.

Gleichzeitig setze ich damit auch die Subsysteme in ihrer Binnenbeziehung zueinander in Beziehung „Sie sind Ehefrau …“ „Du bist … die Schwester von Max.“ und markier edie Generationengrenzen „… Vater dieser Kinder.“ „… Sohn dieser Eltern.“

Ich bin aufgrund meiner Erfahrung zutiefst überzeugt, daß dies insbesondere bei der ersten Begegnung starke Interventionen sind, die auf der unbewußten Tiefenschicht der Kommunikation wirksam werden und keinen Zweifel lassen an meiner Haltung, daß jede/r zu einem Subsystem gehört.

Prima. Dann kommt mal alle rein und ich führe Euch …

Durch die Bemerkung „kommt mal alle rein“ würdige ich, daß die Familie komplett gekommen ist!

Die meisten Familien / Klienten kommen verständlicherweise verunsichert bis angstvoll zu einem Familiengespräch. Das ist nochmal eine andere Nummer als ein Einzelgespräch mit Premierencharakter. Niemand weiß, was die anderen Familienmitglieder zur Sprache bringen werden. Da kann schon mal die Post abgehen.

Ich begrüße also in der o. g. Form und führe die Familie ruhig und sicher entspannt in den Raum, den ich zuvor entsprechend gestaltet habe.

Wie das geht, erkläre ich im nächsten Beitrag.