6.2.1 Ziel- und Lösungsorientierte Kommunikation

Bevor Du gleich weiterliest, sei gewarnt, die Informationen und Erkenntnisse könnten Dein Leben in Deinem Bezug auf die Menschen mit denen Du im Alltagsleben zu tun hast, grundlegend verändern! Jetzt hast Du noch Zeit und Gelegenheit, einfach wegzuklicken.

Ok, Du möchtest es wissen, wie zielorientierte Kommunikation Dein Leben in der Interaktionen zu Deinen Menschen verändern kann.

Sprache informiert nicht nur, Sprache orientiert

Beispiel: Die Aussage „Jeder Mensch kennt Personen, die ihm wichtig sind und die er schon lange nicht mehr gesehen hat“ aktiviert einen inneren Suchprozess und orientiert auf die Ver­gangenheit. Die Aussage „Menschen haben Zukunftspläne und stellen sich vor, wann Sie etwas realisiert haben wollen“ orientiert eher auf Zukünftiges.

Fehlerorientierung versus Zielorientierung

In ähnlicher Weise ist es möglich, eine andere Person auf ein Ziel oder auf einen Fehler hin zu orientieren. Anders ausgedrückt: Man kann eine andere Person auf das orientieren, was sie tun soll oder auf das, was sie nicht tun soll. Dies hat wichtige Folgen für das Leistungsver­mögen des anderen. Es ist eine Alltagserfahrung eines jeden Tennisspielers, daß die äußere oder innere Aufforderung „bloß jetzt den Aufschlag nicht ins Netz“ die Wahrscheinlichkeit ei­nes Netzfehlers deutlich erhöht. Wie kommt das?

Unser Unbewußtes denkt in Bildern

Die Fähigkeit, komplexe Verneinungen zu begreifen, ist eine Leistung, die der Mensch sich erst allmählich im Laufe seiner Entwicklung erwirbt. Kinder, die noch bildhafter denken als Er­wachsene, sind nicht in der Lage den Inhalt eines Satzes wie „Fall nicht hin!“ entsprechend umzusetzen. Es entsteht bei dem Kind ein innerliches Bild, wie es hinfällt, was automatisch be­stimmte Muskelkontraktionen in Gang setzt, die mit der Vorstellung des Hinfallens korrespon­dieren. Zum Ärger der Eltern führt dies genau zu dem, was vermieden werden sollte „Ich hab doch gesagt: Fall nicht hin!“

Daß Erwachsene ebenfalls Schwierigkeiten mit Verneinungen haben, kann jeder überprüfen, indem er versucht, nicht an unsere Bundeskanzlerin oder an den Fleck am Kopf von Michael Gor­batschow zu denken. Ohne daß wir es wollen, erscheint das entsprechende Bild vor unseren Augen.

Beispiele für fehlerorientierende Sprache

Fehlerorientierte Sprache aktiviert genau das, was man vermeiden will. Beispiele für diese Form der Kommunikation finden sich überall. Man kann sogar sagen, es ist die übliche Weiseist, in der Menschen miteinander kommunizieren.

  • Fall nicht hin – Pack das nicht aus.
  • Bitte vergessen Sie nicht…, ja mach ich (das Vergessen)
  • Bitte meinen Sie nicht, ich denke….
  • Ich will Ihnen ja gar nicht die Schuld geben …
  • Seien Sie nächstes Mal nicht wieder so unpünktlich.
  • Wir dürfen uns nur nicht vorstellen, daß es schief geht.
  • Machen Sie nicht immer …
  • Stellen Sie sich nicht so dumm an.
  • Denken Sie nichts Schlimmes, wir betrügen Sie nicht.
  • Trink nicht so viel Alkohol.
  • Schrei mich nicht so an.

Zielorientierung durch sprachliche Kommunikation

Es ist nachgewiesen, daß fehlerorientierte Menschen schnell aufgeben, sich leicht überfordert fühlen und sich oft konfus und desorientiert verhalten. Wenn ein Lehrer seine Schüler in einer Weise führt, daß er sie sprachlich auf das orientiert, was sie nicht tun sollen, so kann er mit Unlust und innerem Widerstand sowie schlechten Leistungen rechnen.

Wie orientiert man sich oder eine andere Person auf ein Ziel? Wichtig ist, das was man wirksam erreichen möch­te, zielorientiert zu formulieren. Statt „Vergessen Sie nicht …!“ sollte man die Formulierung wählen: „Bitte erinnern Sie/Denken Sie daran!“

Beispiele für zielorientierende Sprache

  • Bitte sei das nächste Mal pünktlich.
  • Ich möchte, daß Du dies rechtzeitig erledigst.
  • Du kannst mir vertrauen [ statt: ich werde nicht ungerecht sein. ]
  • Gehen wir mit Zuversicht an die Sache heran.
  • Ich erwarte von Dir Verschwiegenheit. [ statt: Sag es bitte nicht weiter. ]
  • Sei das nächste Mal sorgfältiger. [ statt: Schau, daß Dir das nicht noch einmal passiert. ]

In der zielorientierten Kommunikation wird die Verwendung von Implikationen wirksam.

Betont man das „wie“ bei der Aussage „Ich bin gespannt, wie du Dein Ziel erreichst“, so beinhal­tet (impliziert) diese Formulierung, daß der andere auf sein Ziel orientiert ist und dieses ereichen wird und es nur noch die Frage ist, wie er/sie das schaffen wird.

Andere Aussagen, die ebenfalls die Implikation in sich tragen, daß etwas geschafft oder erreicht wird:

  • Ich bin neugierig, welche Lösung Du findest.
  • Mal sehen, was Dir dazu einfällt.
  • Ich bin interessiert, wann Du damit fertig bist.
  • ….. wie Du das wieder hin bekommst.
  • ….. wie Du es schaffst, das nächste Mal die Dinge rechtzeitig zu erledigen.

Beachtet man diese Kommunikationsregeln, so wird man erreichen, daß Dinge häufiger in gewünschter Weise erledigt werden und die Schüler, die Klienten, die Patienten etc. motivierter sind, Anordnungen, Empfehlungen, Hinweisen oder Wünschen nachzukommen.

Zielorientierte Kommunikation schützt davor, daß es uns oder unseren Mitmenschen so geht, wie dem Schatzsucher, dem eine Weissagerin prophezeit, daß er einen riesigen Schatz finden werde, er dürfe nur nicht an ein gelbes Nilpferd mit blauen Punkten denken. Noch nie in seinem Leben hat der Schatzsucher an ein gelbes Nilpferd mit blauen Punkten gedacht, doch sobald er künftig den Spaten ansetzt, um zu graben, sieht er es vor sich.

Die folgenden Fehlerorientierungen kann man „umschreiben“

Vorwürfe statt Bedürfnisse äußern: Werden Vorwürfe gemacht, ist es meist hilfreich, das Augenmerk, d.h. den Fokus des Gespräches auf die Bedürfnisse des Gesprächspartners zu lenken. Hierzu einige Beispiele mit denen wir uns Kommunikations- und Beziehungsfallen ersparen können:

Ungewollte Verschreibung nicht gewünschter Reaktionen

Sei nicht so aggressiv zu mir!               Besser: Sprich freundlich mit mir!

Alles, was wir sagen, wirkt suggestiv. Unser Unbewußtes, das sehr aufnahmebereit für Suggestionen ist, versteht keine Negationen. Geh mal in ein Reisebüro und sage zu dem Menschen hinterm Schreibtisch: Ich möchte in Urlaub fahren, aber weder nach Italien noch nach Spanien und auch nicht in die USA – er wird dann immer noch nicht wissen, wo es hingehen soll. Besser also immer gleich sagen, wo es hin gehen soll oder wie man etwas haben möchte.

Empathisch, aber stressig

Sie haben es aber ziemlich schwer!               Besser: Das ist sicher nicht so leicht für Sie!

Mit der durchaus mitfühlenden Äußerung wird das Streß-Wort „schwer“ benutzt. Mein Gegenüber fühlt sich sowieso schon beschwert und ich verstärke ich das, indem ich kommunikativ noch einen draufsetze – das hat mein Gegenüber nicht verdient. Alternativ kann ich nun aber innerhalb einer Art Notlösung die Erkenntnis über die Wirkung von Negationen nutzen: Ich verwende das Gegenteil meiner fehlerorientierten empathischen Sprache – so wird aus den Streßwort „schwer“ – nicht leicht; aus „schwierig“ – nicht einfach; aus „ärgerlich“ – nicht erfreulich; aus „enttäuschend“ – nicht erwartet usw.

Ungewollte Verschreibung von Amnesie

Vergiß nicht, mich abzuholen!              Besser: Denk dran, mich abzuholen!

Wir sollten auch niemandem mit Formulierungen „vergiß nicht, versäum nicht, verlier nicht“ Amnesien verpassen.

Unser Unbewußtes, das eigentlich unser ständiger hilfreicher Begleiter ist, interessiert wiederum das NICHT nicht, sondern nimmt nur die anderen Worte auf: „Vergessen, versäumen, verlieren“ und das ist eine Programmierung auf Amnesie.

Vorprogrammierter Mißerfolg durch unerreichbare oder unklare Ziele

Du lobst Deine Schüler zu wenig!          Besser: Lobe jeden Tag 5 Schüler!

Worte wie „wenig, viel, mehr, häufig“ sind unpräzise. Diese Begriffe sind dehnbar, und jeder wird sie anders interpretieren, und dadurch wird der Erfolg kaum meßbar. Mach Dir bewußt, wieviel oder wenig Du ganz genau meinst. Kommuniziere es konkret und nachprüfbar.

Verwirrung durch die Negation erwünschter Reaktionen

Du hörst mir nicht zu!                           Besser: Bitte höre mir zu!

Der verneinende Satz ist eigentlich gut gemeint, aber es gibt zwischen der bewußten Ebene „Du hörst mir… zu!“ und der unbewußten Ebene „… nicht…“ eine Irritation oder einen Konflikt durch eine gegensätzliche Botschaft, die dem Bewußtsein eine andere Botschaft vermittelt als dem Unbewußten.

Wirkung „positiver“ Suggestion

Wenn die positiven Seiten einer Person angesprochen werden, dann kann ein Prozeß in Gang kommen, dann beginnt sie Endorphine zu produzieren und es werden Verstärkerstrukturen im Gehirn aktiviert, die über den Neurotransmitter Dopamin erregt werden.

  • Es entsteht positive Erregung (Spontaneität) und gehemmt werden Streß- und Angstgefühle
  • Die Person filtert ihre Umgebung positiver als vorher. Sie sieht Sie z. B. nun in einem günstigeren Licht, Sie selbst werden ihr angenehmer.
  • Das Hirnstrommuster verändert sich in Richtung Alpha-Wellentätigkeit und nähert sich einem Bereich, der für optimales Lernen bekannt ist.
  • Das Vertrauen in den Sender der positiven Botschaft steigt und damit wird die Wahrscheinlichkeit erhöht, daß alles andere, was der Sender mitteilt, ebenfalls akzeptiert wird – die Lernbereitschaft steigt.
  • Der Empfänger der positiven Botschaft wird seine Meinung über den Sender aus verständlichen Gründen nicht für sich behalten wollen und wird andere informieren.
  • Der Prozeß nähert sich wieder seinem Anfangspunkt, die Schleife schließt sich: Sie werden von anderen geschätzt und schätzen sich deswegen selber günstiger ein und können deswegen leichter, authentisch und assoziiert positive Botschaften abschicken, die nun eben auch nonverbal stimmig sind.

Wirkung negativer Kommunikation aus dem Kindergarten:

  • Max und Andreas jetzt ist aber Schluß mit dem Gematsche.
  • Tobias Du sollst Annika nicht ärgern.
  • Also Mark, ich sage Dir heute nicht noch 10 mal, daß Du …
  • Dennis, was machst Du mit dem Spielzeug da?
  • Ihr wißt doch, daß Ihr da nicht hochfahren dürft.
  • Hubert nicht so hoch werfen.
  • Dominique hör endlich damit auf, den Ball gegen das Tor zu donnern.
  • Hört auf damit zu werfen.

Tante Jackie zum 3jährigen Julian, der sich gerade eine chinesische Klangkugel aus dem Regal genommen hatte: Aber nicht die Kugel in den Mund stecken! (Bis zu dieser Bemerkung war Julian noch nicht auf die Idee gekommen, daß man die Kugel auch in den Mund stecken könnte …)

Auf einem Spaziergang mit unserem Hund treffen wir andere Hundebesitzer mit ihrem Liebling: Hasso jetzt aber nicht wieder die Leute anspringen … Schwapp war meine Hose für die Wäsche reif.

Fehlerorientierung oder zielorientiert

Schau nicht her!

Unsere Sprache enthält in vielen Redewendungen ja oft sehr viel Weisheit. Um so erstaunlicher ist es, wie fehlerorientiert unsere Sprache mitunter konstruiert ist. So müssen wir uns manchmal erst einen Hund anschaffen und dann auf den Hundeplatz gehen, um zielorientierte Kommunikation zu lernen, denn mit Negationen kann ich meinem Hund Nele nun überhaupt nicht kommen.  Ich sage: Mach nicht sitz – und sie setzt sich hin. Ich sage: Lauf nicht los – und sie legt einen Sprintstart hin. Ich sage: Schau nicht her – und sie schaut mich an. Ich sage: zieh nicht so (an der Leine) oder Du blöder Hund oder Bell mal weniger und sie weiß überhaupt nicht, was ich meine.

Nun sollen wir unsere Kinder, unsere Kunden, unsere Klienten und Patienten oder überhaupt andere Menschen ja doch nicht wie Hunde behandeln, aber bitte doch auch nicht schlechter! Die kommunikativen Basics, die für ein Hundegehirn gut und zielführend wirken, sollten doch wohl erst recht auch für menschliche Gehirn gut und wohltuend sein. Deshalb hier noch einmal die wesentlichen Kategorien:

  1. das Spiel mit den Negationen: Mach dieses nicht – mach jenes nicht;
  2. der Gebrauch von Streßworten: das ist aber schwierig; Du hast es aber schwer;
  3. die Verschreibung von Amnesie: bitte vergess nicht das Buch mitzubringen;
  4. Verwirrung erzeugen: Du hörst mir nicht zu; Du schaust mich nicht an;
  5. Mißerfolge vorprogrammieren: ich will weniger essen; Du solltest mal dran denken.

Es gibt etliche professionelle Bereiche in denen zielorientierte Kommunikation genutzt wird, z. B. in Verkäufertrainings, in der Entwicklung zielorientierter Geschäftsprozesse oder im Sport.

So wäre es doch auch schön, wenn die zielorientierte Kommunikation allmählich in unseren Alltag Einzug halten würde: in der Beziehung zu unseren Kindern, zu unseren Partnern und Partnerinnen, in Beratung, Betreuung und Therapie. Dabei ist das Erlernen gar nicht so schwierig recht einfach. Als ich das vor 20 Jahren in der MEG Ausbildung u. a. bei Ortwin Meiss Hypnotherapie lernte, durchforstete ich meine Sprachgewohnheiten und meinen Sprachschatz. Ich machte mir zu 1. bis 5. Wortlisten und überarbeitete diese, indem ich nach Alternativen suchte, die zu meiner Person auch paßten.

Zielorientierte Sprache lernen und in den Alltag integrieren

Wenn Du z. B. professioniell in Beratung oder Therapie arbeitest und Du möchtest zielorientiert kommunizieren, dann hat es nach meiner Erfahrung keinen Sinn, das nur im Job anzustreben. Das wird im besten Fall künstlich bleiben oder Du wirst scheitern einfach nicht gelingen. Wenn Du Dich wirklich auf den Weg machen willst, zielorientiert zu kommunizieren, wirst Du Deine ganze Sprache und Deine Sprechgewohnheiten umstellen müssen, privat, beruflich oder sonst wo. Und das lohnt sich!

Steck Dir Zettel und Stift in die Hemd- oder Hosentasche und lege Dir einen Zweiten auf den Schreibtisch und einen Dritten auf den Eßtisch und dann geht ab morgen früh zum Frühstück los.

Beobachte 1. Dein Denken und 2. das was an Sprache aus Deinem Mund kommt und ordne es 1. bis 5. zu. Mach Dir keinen Streß, sondern mach das einfach mal eine Woche lang ganz entspannt – nur Dich oder auch andere beobachten und die Worte und Wendungen notieren, die Dir unter 1. bis 5. auffallen.

Überarbeite nach exakt 1 Woche das notierte Material, indem Du Alternativen suchst und findest und die schreibst Du in die rechte Spalte.

Ich habe ca. 1/2 Jahr gebraucht bis ich den Eindruck hatte, jetzt habe ich meine eigenen gebräuchlichen fehlerorientierten Wörter erfaßt und habe nützliche zielorientierte Wortalternativen gefunden.

In der Folge habe ich gestaunt, welche Wirkungen diese Umstellung erzielte. Aber da möchte ich jetzt nichts vorgeben, mach einfach Deine eigenen Erfahrungen. Viel Erfolg.