4.1 Die Wirksamkeit der Kommunikation

Das Elterncoaching – Elternpräsenz statt Suchtpräsenz hat Konsumfreiheit zum Ziel. Die wird erreicht, wenn sich alle Beteiligten – Coach und Eltern – an das „Drehbuch“ halten und das besteht aus einer bestimmten Kommunikation, die etwas Bestimmtes kommuniziert.
(siehe Niklas Luhmann, Was ist Kommunikation?)

Wenn sich ein Team von Ingenieuren überlegt, wie eine bestimmte Maschine zu konstruieren ist und dies beschreibt, wird sich die Fertigkung tunlichst an den Bauplan halten müssen, damit jede hergestellte Maschine bestimmungsgemäß funktioniert. Die Funktion macht dann Sinn. Sie erscheint sinnvoll. Warum sollte man mit lebenden Systemen weniger planvoll und exakt verfahren?!

Eltern kommen in die Beratung und präsentieren uns das Problem, z. B. „Unser Max konsumiert Drogen, wir möchten das nicht, wissen aber nicht, was wir tun können!“ Wenn wir uns als Beratungssystem (Coach + Eltern) darauf einigen, daß Drogenkonsum nicht toleriert und hingenommen werden kann, ist das gemeinsame Ziel, das Erreichen von Max‘ Konsumfreiheit. Das Beratungssystem erhält die Funktion: Coach unterstützt Eltern, Eltern lassen sich vom Coach unterstützen. Zum Erreichen des Ziels macht das Sinn. Das Coaching ist (nur dann) sinnvoll, wenn das Ziel (Max‘ Konsumfreiheit) angestrebt wird.

An der Sinngebung, mithin der Konstruktion des Zieles ist der Elterncoach maßgeblich beteiligt, weil er axiomatisch festsetzt: es geht um Konsumfreiheit. Es geht nicht um kontrollierten Konsum oder um ein „bißchen“ Konsumieren. Sondern das Ziel ist Konsumfreiheit. Es geht um Alles oder Nichts. Für die Forderung nach Konsumfreiheit bei Jugendlichen gibt es vielfältige Gründe, die aber später an anderer Stelle reflektiert werden.

Entsprechend der Luhmannschen Systemtheorie formiert sich das Beratungssystem in diesem Elterncoaching mittels des folgenden systemspezifischen Codes:

Das Ziel „Max soll konsumfrei werden!“ kann nur erreicht werden, wenn sich aus Coach und Eltern ein neues (Beratungs-) System bildet, dessen selbstreferentielle Kommunikation aus der Information besteht „Max konsumiert Drogen. Max soll konsumfrei werden.“ und deren Eindringlichkeit im Beratungssystem zur Mitteilung wird „Wir Eltern kamen bisher alleine nicht zum Ziel. Da wir das Ziel aber für existenziell bedeutsam halten, bitten wir Sie (den Coach), uns auf dem Weg zum Ziel zu unterstützen.“ Worauf der Coach Verstehen äußert, das zugleich eine neue Information beinhaltet, die wiederum für das Beratungssystem existentiell bedeutsam ist und dadurch die Eindringlichkeit einer Mitteilung enthält: „Ich verstehe, daß Sie es alleine nicht schaffen, sich Max verständlich zu machen. Ich kann Sie unterstützen, indem wir (Coach + Eltern) uns in jeder Coachingsitzung gemeinsam einen Schritt in Richtung Zielerreichung erarbeiten und Sie (die Eltern) werden diesen Schritt eins zu eins bis zu unserem nächsten Termin in Ihrem Familiensystem (Eltern + Max) als Information mitteilen. Dann berichten Sie (die Eltern) mir (dem Coach) welche Kommunikation im Familiensystem zu beobachten war (Beobachtung 2. Ordnung).“ Worauf die Eltern dem Coach die Information mitteilen „Ja, wir verstehen wie wir zusammen arbeiten können und schließen uns deshalb Ihrer Kommunikation (Kooperationsforderung) an.“

Die Kommunikation im Beratungssystem kommuniziert also die Kooperationsbedingungen im Beratungssystem (zwischen Eltern und Coach) und bleibt als Beratungssystem solange selbstreferentiell und operational geschlossen als es immer und immer wieder in seiner Kommunikation genau das kommuniziert: Wir (Eltern und Coach) kooperieren auf die verabredete Weise und unterscheiden uns als Beratungssystem dadurch von der Umwelt (denn die macht vieles anders).

Fremdreferentiell bringen die Eltern die Kommunikation aus dem Familiensystem mit ein, wie auch die Eltern die Kommunikation aus dem Beratungssystem fremdreferentiell in das Familiensystem einbringen und damit erzeugt das Subsystem Eltern die strukturelle Kopplung zwischen Familiensystem und Beratungssystem und umgekehrt. Eigentlich sind die systemtheoretisch zu beschreibenden Vorgänge noch komplexer, weil wir uns noch nicht der Psyche, der Sprache etc. zugewendet haben.

Nun die praktische Version:

In der Tat ist das zentrale Element dieses Elterncoachings die (Gestaltung der) Kommunikation. Wenn ich nach einer ersten diagnostischen Einschätzung zu der Zuversicht gelange, daß ich mit einem bestimmten Elternpaar (zu Alleinerziehenden und getrennt lebenden Elternpaaren kommen wir später) zum Ziel kommen könnte, teile ich diesen Eltern meine Bedingungen der Zusammenarbeit mit: Ich komme mit allen ! Eltern in der Tat dann zum Ziel, wenn wir ab der heutigen Sitzung etwas erarbeiten, das Sie (die Eltern) in der kommenden Woche bis zu unserer nächsten Sitzung genauso kommunizieren und beobachten, wie Max darauf reagiert (kommuniziert). Wenn Sie mir das dann berichten und wir machen uns erneut Gedanken über Ihren nächsten kommunikativen Schritt, den Sie dann erneut umsetzen und berichten, wie Max dazu kommuniziert hat. Und wenn wir das genauso von Sitzung zu Sitzung machen, d. h. Sie kommunizieren zu Hause Woche für Woche eins zu eins das, was wir hier überlegt haben, dann werden wir das Ziel der Konsumfreiheit erreichen. Wovon die zeitliche Dimension abhängt, wird später erörtert. Das Vorgehen folgt der Arbeit mit Versuch und Irrtum (das sogenannte Therapeutendilemma) und richtet sich danach aus, wenn etwas funktioniert, mach mehr davon, funktioniert es nicht, mach etwas anderes.

Bedeutsam ist also die Gestaltung der Kooperationsbedingungen im Beratungssystem als Arbeitsgrundlage und die setze ich als Coach fest. Das ist mein Angebot an Eltern, weil ich die Erfahrung gemacht habe, so mit ihnen zum Ziel zu kommen. Das ist von Beginn auch keine Vereinbarung, sondern meine Forderung als Coach, die zugleich auch ein Angebot darstellt. Dazu gehört, daß ich zwischen den Sitzungen keine Halbheiten, Auf- und Abweichungen, Uminterpretationen etc. dulde. Sollte ich das beobachten, komme ich unweigerlich auf meine Kooperationsbedingungen zurück. Ich wechsle den Fokus, weg vom Inhalt des Coachings, hin zu den Kooperationsbedingungen (vgl. Watzlawick. Lösungen. Kap. zum 1. Axiom Inhalts- und Beziehungsbene) bzw. auch welche Auswirkungen es haben wird, wenn das im Beratungssystem Erarbeitete nicht kommuniziert wird. Erst wenn diese Kooperationsbedingungen erneut geklärt sind, können wir weiter zusammen arbeiten.
Letztlich muß die Notwendigkeit dieses Fokuswechsels aber die Ausnahme bleiben. Sollte das zur Regel werden, ändert sich die Kommunikation im Beratungssystem dahingehend, daß das ursprüngliche Ziel nicht mehr kommunizierbar gemacht werden kann. Dann muß die Arbeit, das Coaching, beendet werden, weil das Ziel nicht erreicht (kommuniziert) werden kann.

Wir haben es mit mit einer systemischen Dualität zu tun:

Was und wie die Kommunikation im Beratungssystem kommuniziert wird soll bestimmend werden für das, Was und Wie im Familiensystem kommuniziert wird. Ich setze als Coach im Beratungssystem eine bestimmte Forderung von Beginn an fest, die zugleich ein Angebot an die Eltern darstellt. Die Eltern setzen im Familiensystem (neu) bestimmte Forderungen an Max fest, die zugleich ein Angebot an ihn darstellen. Im Beratungssystem zeige ich mich z. B. als ein „autoritäres“ Modell gegenüber den Eltern, die wiederum lernen sollen, sich als „autoritäres“ Modell im Familiensystem gegenüber Max zu zeigen. (siehe auch bei Haim Omer. Autorität durch Beziehung und die neue Autorität). Oder um an die oben skizzierte systemtheoretische Variante anzuschließen: Was und wie die Kommunikation im Beratungssystem kommunziert, sollte auch die Kommunikation im Familiensystem kommunizieren.

Ist das Ziel erreicht, ist die Kommunikation im Beratungssystem beendet und die Kommunkation zur Zielerreichung im Familiensystem ebenfalls.

Das Coaching ist nur dann sinnvoll, wenn der Coach klar und eindeutig die beschriebene Kooperationsform kommuniziert. Wenn die Eltern dann lernen,  diese Kommunikation gegenüber Max zu kommunizieren (also ebenso klar und eindeutig die Forderung nach Konsumfreiheit gegenüber Max vertreten), stellt das Elternsubsystem mit dieser Kommunikation eine strukturelle Kopplung beider Systeme her.
Erst recht, wenn sie die Beobachtung der Kommunikation im Familiensystem wieder in das Beratungsystem einbringen und in zirkulärer Weise so fort von einem System in das andere und wieder zurück.

Mit diesen Überlegungen haben wir eine arbeitsfähige (kommunikationsfähige) Form gefunden, das Elterncoaching durchzuführen und können uns nun damit beschäftigen, was alles kommuniziert werden kann, um zum Ziel zu kommen:

Max soll konsumfrei leben.