Wie Lösungen zum Problem werden …

„Probleme kann man niemals mit der gleichen Denkweise lösen, durch die sie entstanden sind.“
Albert Einstein

Typische Lösungsversuche

  1. Es wird versucht, eine Schwierigkeit zu lösen, die entweder unlösbar ist oder überhaupt nicht besteht; der Lösungsversuch wird damit utopisch.
  1. Das Bestehen einer Schwierigkeit wird geleugnet. Eine Lösung ist notwendig, wird aber nicht einmal versucht.
  1. Eine Fehllösung wird dadurch begangen, daß entweder eine Veränderung 1. Ordnung dort versucht wird, wo die Lösung nur auf der nächsthöheren Stufe logischer Abstraktion gefunden werden kann (z. B. beim neun-Punkte-Problem)

oder es wird umgekehrt eine Lösung 2. Ordnung dort versucht, wo eine solche erster Ordnung angebracht wäre (zum Beispiel, wenn von jemandem eine Änderung seiner «Haltung» statt nur seines Verhaltens gefordert wird); eine Lösung wird also auf der falschen Abstraktionsstufe angestrebt und führt zu Paradoxien.

  1. Wenn-Dann-Lösungen:
    Wenn es mir kalt ist, drehe ich die Heizung auf. Wenn mir immer noch kalt ist, heize ich noch mehr.
    Wenn es mir schlecht geht, trinke ich Alkohol. Wenn das nicht wirkt, trinke ich mehr.
  1. Infolge untauglicher Lösungsversuche des ursprünglichen Problems entsteht ein weiteres (neues, zusätzliches) Problem. Der Lösungsversuch an sich wird zum Problem (Nebenwirkungen) und hält das erste Problem instand und verstärkt es.
  1. Wenn die ersten „Versuche“ nicht ausreichen, muß mehr desselben helfen. Siehe Einstein.„Lösung 1. Ordnung ist meist das, was der Klient schon immer probiert hat, um mit einer auftretenden Frustration fertig zu werden. Oft irgendeine verzweifelte Anstrengung. Noch mehr schimpfen, noch mehr nachgeben, noch mehr reden, noch mehr schweigen. Also immer ein „mehr desselben“. Meist schafft diese wiederholte Anstrengung überhaupt erst das Leiden, bzw. ist das Leiden. Und das Aufgeben dieser Lösungsversuche wäre dann die Lösung 2. Ordnung, sozusagen die Lösung von der Lösung.“ (1)
  1. Es entsteht durch die Aktionen und Reaktionen, die wieder zu neuen Gegenbewegungen und Reaktionen führen, ein selbstrückbezüglicher (zirkulär sich selbst verstärkender) Prozeß. (eine Art Teufelskreis)

Paul Watzlawick nennt diese konfliktverschärfende Art des Umgangs mit Problemen „Lösungen 1. Ordnung“.

Siehe Watzlawick/Weakland/Fisch (1979) Lösungen. Zur Theorie und Praxis menschlichen Wandels. Bern Stuttgart Wien: Hans Huber. S. 58 – 59 und S. 105 und https://www.sgipt.org/gipt/allpsy/denk/pl2ordng.htm


Darüber hinaus gibt es die „Lösungen 2. Ordnung“, die er als erfolgsversprechender ansieht.

  1. Eine Lösung 2. Ordnung ist eine Art Erlaubnis, die bisherigen Lösungsversuche, d.h. meine Anstrengung aufzugeben.
  2. Lösungen 2. Ordnung werden auf Lösungen 1. Ordnung angewendet, wo diese nicht nur keine Lösung herbeiführen, sondern selbst das zu lösende Problem sind.
  3. Während Lösungen 1. Ordnung sich meist auf den «gesunden Menschenverstand» gründen (zum Beispiel auf das «mehr desselben»-Rezept), scheinen Lösungen 2. Ordnung häufig absurd, unerwartet und vernunftwidrig; sie sind ihrem Wesen nach überraschend und paradox. (z.B. Kommunikation im Elterncoaching)
  4. Daß Lösungen 2. Ordnung sich auf problemerzeugende Pseudolösungen 1. Ordnung beziehen, bedeutet, daß damit die zu lösenden Probleme jetzt und hier angegangen werden. Was dabei verändert wird, sind die (Aus-) Wirkungen und nicht die vermeintlichen Ursachen der betreffenden Situation; die entscheidende Frage ist daher das Was ist zu tun? und nicht Warum geschieht das oder ist entstanden?
  5. Lösungen 2. Ordnung heben die zu lösende Situation aus dem paradoxen, selbstrückbezüglichen Teufelskreis heraus, in den sie die bisherigen Lösungsversuche geführt haben, und stellen sie in einen neuen, weiteren Rahmen. (Neun-Punkte-Problem)

Die neue Art von Lösungen hat folgende Merkmale:

  1. Sie sind im Gegensatz zu den verstandesgemäßen Lösungen erster Ordnung oft absurd und unerwartet. Sie sind ihrem Wesen nach überraschend und „lösen“ sich von der bisherigen Denkweise.
  1. Es werden keine Ursachen gesucht, sondern es wird
    a) nach den Auswirkungen der bisherigen Lösungsversuche gefragt,
    b) und die Wirkungen in der Kommunikation werden verändert.

Grundlegende Arbeitsweisen

Weniger Fragen nach dem Entstehungsprozeß oder dem Ist-Zustand, sondern ausführlich nach dem gewünschten Soll-Zustand und so lange nach dem Ziel fragen, bis man nur noch das Ziel im Kopf und zudem eine Ahnung davon hat, wie man es erreichen könnte, welche Hindernisse zu erwarten sind, bis hin zu einem genauen Bild von sich selbst, den eigenen Aussehen, Sprechen und Tun, Körperhaltung usw., wenn man am Ziel ist, und welche Auswirkungen das vermutlich auf die eigene Umwelt und die Beziehungen haben wird.

Zirkuläre Fragen danach wie das Problem bzw. die Lösung andere Personen sehen würden, damit andere Perspektiven ins Spiel kommen.

Es sollte aber auch um das Los-Lösen von den Problemzuständen gehen!


Beispielfragen

  • Wie würde ich mich verhalten, wenn das Problem schon gelöst wäre? Welche Wirkungen hätte dies auf mein Gegenüber? Was käme zurück?
  • Welche Bedürfnisse verbergen sich hinter meinem Lösungsversuch? Was würde die Wahrscheinlichkeit erhöhen, dass andere diese freiwillig und gerne berücksichtigen?
  • Welche Bedürfnisse verbergen sich hinter dem Verhalten des anderen? Wie könnte ein „Lösungstanz“ aussehen, wenn ich diese berücksichtige? Welche Rückkopplungen hätte dies auf mich?
  • Mit welchem Verhalten kann ich andere überraschen?  Wie kann ich weniger berechenbar werden (im wohlwollenden Sinne)?
  • Was brauche ich, um weniger desselben machen zu können?
  • Was würde ich machen, wenn ich alle meine Ressourcen zur Verfügung hätte? Welche benötige ich? Wie bekomme ich Zugang zu diesen?
  • Welcher fällige persönliche Entwicklungsschritt zeigt mir diese Problemsituation? Was brauche ich, um diesen gehen zu können? Wie kann ich die Situation dafür nutzen, meine eigenen Problemzonen heilen zu können.
  • Welcher Hinweis, welcher Aufforderungscharakter für die Beziehung verbirgt sich in der Situation? Wie kann dies konstruktiv umgesetzt werden?

(1) http://www.siegfriedessen.com/publikationen.php?DOC_INST=3#TextStart