2.3.1 „Widerstand“

Das Phänomen „Widerstand“ wird traditionell in Beratung und Therapie innerpsychisch lokalisiert. Ich möchte, daß Du das und das machst, aber Du willst das nicht. Du traust Dich nicht. Du willst es verschieben. Du hast einen Widerstand entwickelt.

Das Konzept „Gehen mit dem Widerstand“ ist eine zentrale Idee in der Arbeit von Milton Erickson. Siehe unten. Es bezieht sich darauf, wie ein Therapeut oder Berater auf den Widerstand eines Klienten reagiert und wie er den Widerstand nutzen kann, um eine Veränderung herbeizuführen.

Statt gegen den Widerstand anzukämpfen, versucht der Therapeut, eine Beziehung zum Klienten aufzubauen und den Widerstand als ein wichtiges Signal für die Bedürfnisse und Probleme des Klienten zu verstehen. Der Therapeut kann den Widerstand dann nutzen, um den Klienten dazu zu bringen, neue Perspektiven zu sehen und sich für Veränderungen zu öffnen.

Ein Beispiel für das Gehen mit dem Widerstand ist die Verwendung von Metaphern und Geschichten, um den Klienten dazu zu bringen, sich selbst und seine Situation aus einer anderen Perspektive zu betrachten. Der Therapeut kann auch die Sprache und Denkweise des Klienten spiegeln, um eine Verbindung aufzubauen und das Vertrauen des Klienten zu gewinnen.

Das Konzept des „Gehens mit dem Widerstand“ basiert auf der Annahme, dass Widerstand ein natürlicher und notwendiger Teil des Veränderungsprozesses ist. Der Therapeut akzeptiert und respektiert den Widerstand des Klienten und arbeitet mit ihm zusammen, um einen Weg zu finden, ihn zu überwinden. Dies führt oft zu einer tiefgreifenderen und nachhaltigeren Veränderung als wenn der Therapeut versucht, den Widerstand des Klienten zu überwinden oder zu ignorieren.

Im systemischen Arbeiten wird Widerstand auch als ein Ausdruck der Interaktionen und Beziehungen im sozialen Kontext betrachtet. Der Berater/Therapeut/Coach arbeitet daran, diese Interaktionen und Beziehungen zu verstehen und zu verändern, um den Widerstand zu reduzieren und die Veränderung zu erleichtern. Deshalb ist der Widerstandsbegriff insofern erweitert worden, als der Widerstand nicht nur innerpsychisch lokalisiert wird, sondern auch zwischen Berater und Klient, d. h. in innerhalb der therapeutischen Beziehung zeigt sich etwas Widerständiges in der beiderseitigen Kommunikation bzw. Kooperation. Das heißt, beide, Berater und Klient sind am Widerstandsgeschehen beteiligt. Bezogen den Berater /Therapeuten könnte man vereinfacht sagen, hätte der Berater anders, günstiger kommuniziert bzw. interveniert, wäre kein Widerstand entstanden.


Thies Stahl. Das Konzept „Widerstand“ in der Psychotherapie Milton Ericksons, in der Kommunikationstherapie und im Neurolinguistischen Programmieren. Download als PDF:
www.thiesstahl.de/wp-content/uploads/2018/02/das_konzept__widerstand__in_der_psychotherapie…_2.pdf


Im Folgenden werde ich einige Unterschiede zwischen Therapieformen in Bezug auf das Konzept des Widerstands erläutern.

  1. Hypnotherapie: Milton Erickson war ein bekannter Psychotherapeut und Begründer der modernen Hypnotherapie. Er war bekannt für seine innovativen und unkonventionellen Ansätze in der Therapie und war besonders daran interessiert, mit Widerstand in der Therapie umzugehen.

    Erickson glaubte, dass Widerstand ein notwendiger Teil des Therapieprozesses war und dass es wichtig war, den Widerstand als eine Form der Kommunikation zu betrachten. Anstatt den Widerstand zu bekämpfen oder zu ignorieren, nutzte Erickson ihn als Ausgangspunkt für die weitere Arbeit in der Therapie. Er betrachtete den Widerstand als einen Hinweis darauf, dass der Klient oder die Klientin nicht bereit war, Veränderungen vorzunehmen, und dass es wichtig war, die Gründe für den Widerstand zu verstehen.

    Erickson war bekannt für seine Fähigkeit, mit Widerstand umzugehen, indem er indirekte Suggestionen und Metaphern einsetzte. Anstatt direkt auf den Widerstand zu reagieren, schlug er oft unerwartete und überraschende Ansätze vor, um den Klienten oder die Klientin aus der Komfortzone zu bringen und neue Wege des Denkens und Handelns zu erkunden. Erickson ermutigte seine Klienten und Klientinnen, ihre eigenen Lösungen zu finden, anstatt ihnen vorgefertigte Lösungen aufzuzwingen.

    Ein weiteres Merkmal von Ericksons Ansatz war seine Fähigkeit, den Widerstand in der Sprache und den Verhaltensweisen des Klienten oder der Klientin zu spiegeln. Er nutzte die Sprache und die Verhaltensweisen des Klienten oder der Klientin, um eine Verbindung herzustellen und eine Atmosphäre des Vertrauens und der Zusammenarbeit zu schaffen. Indem er sich auf die individuelle Situation und die Bedürfnisse des Klienten oder der Klientin einließ, konnte Erickson eine starke Beziehung aufbauen und den Widerstand auf natürliche Weise reduzieren.

    Insgesamt war Ericksons Ansatz sehr patientenzentriert und respektvoll gegenüber dem Widerstand, den Klienten oder Klientinnen in der Therapie zeigen können. Er nutzte eine Vielzahl von innovativen Techniken und Ansätzen, um den Widerstand zu überwinden und Veränderungen zu erleichtern, die auf die individuellen Bedürfnisse des Klienten oder der Klientin zugeschnitten waren. Sein Einfluss auf die moderne Psychotherapie und Hypnotherapie ist bis heute spürbar und wird von vielen Therapeuten und Therapeutinnen weltweit geschätzt.

  2. Psychodynamische Therapie: In der psychodynamischen Therapie wird Widerstand als eine Form der Abwehr betrachtet, die der Klient oder die Klientin einsetzt, um unangenehme oder schmerzhafte Erinnerungen oder Emotionen zu vermeiden. Der Therapeut oder die Therapeutin arbeitet daran, den Widerstand zu verstehen und zu überwinden, um tiefere Einblicke in die zugrunde liegenden psychischen Konflikte zu gewinnen.
  3. Kognitive Verhaltenstherapie: In der kognitiven Verhaltenstherapie wird Widerstand als eine Form der kognitiven Verzerrung betrachtet, bei der der Klient oder die Klientin irrationale Gedanken und Überzeugungen hat, die ihn oder sie daran hindern, Verhaltensänderungen vorzunehmen. Der Therapeut oder die Therapeutin arbeitet daran, diese Gedanken und Überzeugungen zu identifizieren und zu korrigieren, um Verhaltensänderungen zu erleichtern.
  4. Humanistische Therapie: In der humanistischen Therapie wird Widerstand als ein Ausdruck der menschlichen Freiheit betrachtet, die Entscheidungsfreiheit und Selbstbestimmung des Klienten oder der Klientin zu respektieren. Der Therapeut oder die Therapeutin arbeitet daran, eine unterstützende und nicht-direktive Atmosphäre zu schaffen, um dem Klienten oder der Klientin zu ermöglichen, sich selbst zu entdecken und zu verändern.

Simon/Klement/Stierlin. Die Sprache der Familientherapie. Ein Vokabular. Heidelberg 2004. S. 350 ff