2.3.5 Vertrauen oder Zutrauen
„Zutrauen“ und „Vertrauen“ sind zwei verschiedene Begriffe, die in verschiedenen Kontexten verwendet werden können.
„Zutrauen“ bezieht sich auf die Überzeugung, dass jemand in der Lage ist, eine bestimmte Aufgabe oder Herausforderung erfolgreich zu bewältigen. Es geht also um die Fähigkeiten und Kompetenzen einer Person.
„Vertrauen“ hingegen bezieht sich auf die tiefere Ebene der zwischenmenschlichen Beziehungen. Es geht darum, dass man einer Person vertraut, dass sie ehrlich, zuverlässig und loyal ist, dass sie ihre Versprechen einhält und dass man sich auf sie verlassen kann.
Beispiel: Wenn Sie einem Freund sagen, dass Sie ihm zutrauen, eine bestimmte Aufgabe zu erledigen, bedeutet das, dass Sie glauben, dass er die Fähigkeiten hat, um die Aufgabe erfolgreich abzuschließen. Wenn Sie jedoch sagen, dass Sie ihm vertrauen, bedeutet das, dass Sie glauben, dass er ehrlich und zuverlässig ist und dass er seine Verpflichtungen einhalten wird.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass „Zutrauen“ sich auf die Fähigkeiten einer Person bezieht, während „Vertrauen“ auf ihre Charaktereigenschaften und zwischenmenschlichen Beziehungen basiert.
Diesen Definitionen folgend, spielt die Kategorie Vertrauen im Elterncoaching kaum eine Rolle. Wir benutzen diese Kategorie nicht.
Hingegen spielt Zutauen eine bedeutsame Rolle im Elterncoaching: Ebenso wie unsere Haltung von Zuversicht geprägt ist, vermitteln wir Zutrauen in die Eltern, daß sie mit Hilfe unseres Coachings ihre Elternrollen besser ausfüllen werden und ihren Elternjob solange wahrnehmen bis der Jugendliche selbständig und unabhängig geworden ist.
Die Alarmlampe (1) geht in dem Moment aus oder wird mindestens heruntergedimmt, wenn Eltern in der Aktion Sendepause realisieren, daß entgegen ihrer Katastrophenerwartungen nichts Schlimmes passiert und sie nicht mehr diejenigen sind, die zum bloßen Reagieren verurteilt sind, sondern sich in der Beziehung zum Jugendlichen erstmals seit langer Zeit wieder autonom verhalten können. Nun ist der Jugendliche (Max) derjenige, der mit Reaktionen nachzuziehen hat.
Die Zuversicht des Beraters, „daß alles gut wird“, und sein Zutrauen in die Möglichkeiten der Eltern gerät jedoch in der weiteren Zusammenarbeit mit den Eltern mitunter immer wieder ins Wanken, wenn der Berater mit Gegenübertragungswiderständen (2) zu kämpfen hat, z. B.
- Eltern halten sich nicht an Absprachen, die im Coaching getroffen wurden;
- der Jugendliche läßt sich besonders kreative Provokationen einfallen, denen sich die Eltern zunächst nicht gewachsen fühlen;
- der Jugendliche bleibt länger von zu Hause weg
- und dergleichen mehr.
Berater sollten sich demnach mit dem psychoanalytischen Konzept von Übertragung und Gegenübertragung beschäftigen. Wenn Berater darüber differenzieren lernen, was sind die eigenen lebensgeschichtlichen Anteile, die durch die Klientenbeziehungsdynamik angetriggert werden und welches sind jene bedeutsamen Anteile, die das Klientensystem mit seinen spezifischen Beziehungsmustern in den Berater induziert, wird er auch in sehr dynamischen Situationen oder scheinbar aussichtslosen Phasen einen distanzierten professionellen Überblick behalten können.
Noch ein Aspekt zur Haltung:
Das Coaching hat zum Ziel, daß die Eltern so an Elternpräsenz gewinnen, daß der Jugendliche wahrnimmt, realisiert und auch glaubt, daß sich die Eltern geändert haben und nicht mehr in früheres Elternverhalten zurückfallen, sondern, egal welche jugendlichen Provokationen ihnen begegnen, sie bei dem neuen Elternverhalten bleiben.
In der Beziehungskette Jugendlicher – Eltern – Coach muß nun der Coach seinerseits ebenso als Modell gegenüber den Eltern fungieren, wie dies von den Eltern gegenüber dem Jugendlichen angestrebt und erwartet wird.
Die Eltern sollen lernen, Standing zu zeigen, z. B. einen Standpunkt unbeirrt vertreten zu können, kommunikative Disziplin zu zeigen, Reaktionen zu vertagen, sich vis á vis zu konfrontieren, um das Ziel der Konsumfreiheit ringen und (gewaltlos) kämpfen und dergleichen mehr. Das wird aber nur gelingen, wenn der Coach bereit und in der Lage ist, den Eltern ein umfassendes Präsenzmodell zu sein.
(1) siehe limbisches System und dort die Amygdala/die Mandelkerne https://systemische-fortbildung.de/seminareinheiten-verzeichnis
und Klaus Grawe. Neuropsychotherapie. Göttingen 2004. Kap. A2.9 Angst S. 90 ff
(2) Gegenübertagung: https://systemische-fortbildung.de/der-5-blog