7.1.3 Probierkonsum Cannabis

Die Meinungen und Haltungen zum Konsum illegaler Drogen sind sehr vielfältig. Das sollten Berater unbedingt mit ihren Institutionen und Träger abklären und eine gemeinsame Meinung vertreten.

Meine Haltung dazu ist:

Den über 16 jährigen Jugendlichen sollten wir beim Probierkonsum illegaler Drogen zugestehen, daß sie nach ca. fünfmaligem Konsum erfahren haben sollten, was dieser für ihre Persönlichkeit und Psyche bedeutet und es dann wieder sein lassen. Eltern sollten über die strafrechtliche Seite informieren (bitte ohne Drohung) und in die Verantwortlichkeit des Jugendlichen legen. Diskussionen über Legalisierung u. ä . Themen haben an dieser Stelle nichts zu suchen – Strafrecht ist Strafrecht.

Der Reifungsprozess des jugendlichen Gehirns ist nicht zu einem bestimmten Zeitpunkt abgeschlossen, sondern kann bis in die späten 20er Jahre andauern. Während der Pubertät und bis zum jungen Erwachsenenalter durchläuft das Gehirn viele Veränderungen, einschließlich der Entwicklung neuer neuronaler Verbindungen und der Prägung von Erfahrungen und Verhaltensweisen. Diese Veränderungen können bis in die späten 20er Jahre fortgesetzt werden, insbesondere in Bereichen wie der präfrontalen Hirnrinde (1), die für die Entscheidungsfindung und die Kontrolle von Impulsen verantwortlich ist. Einige Studien legen nahe, dass das Gehirn in einigen Bereichen sogar bis in die 30er Jahre hinein reifen kann. Es ist jedoch wichtig zu beachten, dass jeder Mensch individuell ist und dass der Reifungsprozess des Gehirns von verschiedenen Faktoren abhängt, wie z.B. genetischen, Umwelt- und Lebensstilfaktoren.

Es sollte in diesem Zeitraum so wenig als möglich bio-chemisch in diesen Entwicklungsprozeß eingegriffen werden.

Wenn wir Jugendlichen zugestehen (müssen), daß sie die Welt erkundigen und heute kann dazu auch die Erfahrung mit Rauschmitteln gehören, kann man als Eltern auch verlangen, daß sie reflektierende Schlüsse und Erkenntnisse aus diesen Erfahrungen ziehen.

Das Besondere am Cannabiskonsum (THC)

Das Endocannabinoidsystem (ECS): Bis in die 30er Jahre (2) hinein können sich im Rahmen eines Entwicklungs- und Umbauprozesses im gesamten Organismus, die Anzahl und die Verteilung von Cannabinoid-Rezeptoren im Gehirn und anderen Geweben verändern. Insbesondere kann die Anzahl der CB1-Rezeptoren im präfrontalen Cortex, Hippocampus und Striatum zunehmen und sich im Erwachsenenalter stabilisieren.

Trifft ein THC Probierkonsum innerhalb dieses Umbauprozesses per Zufall auf eine Überzahl freier Rezeptoren im ECS, kann es seine volle Wirkung entfalten. Stehen wiederum per Zufall gerade keine freien Rezeptoren zur Verfügung, kann auch keine Wirkung geschehen.

Die meisten CB1-Rezeptoren im Organismus befinden sich im zentralen Nervensystem (ZNS), insbesondere im Gehirn. CB1-Rezeptoren sind in hohen Konzentrationen in Regionen wie dem Basalganglien, dem Hippocampus, dem Kleinhirn und dem Cortex vorhanden.

Eine der Hauptfunktionen der CB1-Rezeptoren ist an der Regulierung der Gedächtnisbildung und Kognitionen beteiligt. Die Aktivierung von CB1-Rezeptoren kann die neuronale Aktivität im Hippocampus und im präfrontalen Cortex modulieren, was Auswirkungen auf Lernen, Gedächtnis und kognitive Funktionen haben kann.

Merke: Es besteht daher ein beträchtliches Risiko, vor dem 30. Lebensjahr regelmäßig zu kiffen, weil dies u. a. den Hippocampus und damit die Gedächtnisbildung, das Lernen und weitere kognitive Funktionen nachhaltig beeinträchtigen kann.

CB1-Rezeptoren spielen bei Sucht eine wichtige Rolle. Das ECS reguliert verschiedene physiologische Prozesse, einschließlich der Freisetzung von Neurotransmittern, die mit Belohnung und Motivation verbunden sind, wie Dopamin und Glutamat. Die Aktivierung von CB1-Rezeptoren durch Endocannabinoide wie Anandamid und 2-Arachidonoylglycerol (2-AG) oder durch exogene Cannabinoide wie THC kann die Freisetzung von Dopamin und Glutamat erhöhen und somit das Belohnungssystem des Gehirns aktivieren. (3)

Durch wiederholten Gebrauch von Drogen oder Alkohol kann das ECS verändert werden und eine Dysregulation der CB1-Rezeptoren auftreten. Diese Dysregulation kann zu einer verminderten Anzahl von CB1-Rezeptoren führen, was zu einer verminderten Wirkung von Endocannabinoiden führen kann, die normalerweise zur Regulation von Stimmung und Stress beitragen. Dies kann wiederum dazu führen, dass Personen eine erhöhte Empfindlichkeit gegenüber Drogen und Alkohol entwickeln, um das Belohnungssystem des Gehirns zu stimulieren.


(1) PFC Präfrontaler Cortex. Siehe Blog-Seminar Hirnforschung https://systemische-fortbildung.de/seminareinheiten-verzeichnis

(2) 2013 pers. Mitteilung von Prof. Dr. Dlabal auf den Hamburger Suchttherapietagen

(3) Ginko-Stiftung „Brain and Drugs“ www.ginko-stiftung.de/drugsandbrain