7.5 Objekt-Präsenz – Zeitliche Präsenz – Räumliche Präsenz

Sucht und Abhängigkeit können auf unterschiedliche Weise erlebt werden in der Objekt-Präsenz, der zeitlichen Präsenz und der räumlichen Präsenz.

Die Objekt-Präsenz bezieht sich darauf, wie sehr eine Person an ein bestimmtes Objekt gebunden ist. Bei Sucht und Abhängigkeit kann das Objekt eine Substanz wie Alkohol oder Drogen sein, aber es kann auch ein Verhalten wie Glücksspiel oder Online-Shopping sein. Die Objekt-Präsenz zeigt, wie stark die Bindung zur Suchtsubstanz oder dem Verhalten ist und wie schwer es ist, sich davon zu lösen.

Die zeitliche Präsenz bezieht sich darauf, wie oft eine Person nach dem Rauschmittel oder dem Verhalten greift. Eine Person, die regelmäßig Alkohol trinkt oder Drogen konsumiert, hat eine hohe zeitliche Präsenz. Das Rauschmittel oder das Verhalten nehmen einen großen Teil der Zeit in Anspruch und das macht es schwer, ohne sie zu leben.

Die räumliche Präsenz bezieht sich darauf, wo die Suchtsubstanz oder das Verhalten konsumiert wird oder wo die Auswirkungen der Sucht am stärksten zu spüren sind. Wenn zum Beispiel jemand, der abhängig von Cannabis ist, seinen Konsum in einer bestimmten Peergroup macht, hat die Peergroup eine hohe räumliche Präsenz.

Nun gibt es nicht nur die Objekt-, die zeitliche und die räumliche Präsenz des Konsums, sondern auch eine Suchtpräsenz innerhalb der Familie, die aus den gleichen Präsenzkomponenten besteht: Objekt – Zeit – Raum.

Das Objekt, z. B. der Alkohol in Form von herumstehenden oder versteckten Flaschen oder Drogen in Form von Tütchen, Waage oder anderes Zubehör. Die Objektpräsenz wird im Elterncoaching immer dann ein Thema, wenn z. B. Max zu Hause illegale Drogen aufbewahrt. Die meisten Eltern möchten es zurecht nicht rsikieren, daß die Polizei davon erfährt und zu einer Hausdurchsuchung anrückt. Daher wird Max sehr deutlich aufgefordert, alle Drogen sofort wegzuschaffen. (1) Den Eltern ist es gleich wohin, nur weg damit. Nun wäre zumindest die gegenständliche Objektpräsenz beseitigt. Es bleibt noch die virtuelle Objektpräsenz, wenn die Eltern Max ansehen, daß er etwas konsumiert hat.

Das geht einher mit der zeitlichen Präsenz. Wenn sich Max nicht unter Konsumeinfluß zeigt, können die Eltern nur Vermutungen anstellen. Zeigt sich Max jedoch unter Drogeneinfluß und das über einen längeren Zeitraum, könnte man das so umdeuten (Reframing) – Max möchte den Eltern (unbewußt provokativ) den Konsum zeigen, damit sie Stellung beziehen und ihm Orientierung geben. Ich habe im Nachhinein von so vielen Jugendlichen, als sie konsumfrei waren, gehört, wie froh sie heute sind, daß die Eltern dem Konsum Einhalt geboten haben.

Die räumliche Präsenz begegnet den Eltern zumeist in verschlüsselter Form. Viele Jugendliche zeigen sich in den Gemeinschaftsräumen der Familie (Küche, Wohnzimmer, Badezimmer, Flure) präsent, indem sie alles liegenlassen. Das hat bedingt mit dem Konsum zu tun, indem man mit vielem nachlässig umgeht. Bedeutsamer erscheint mir das, weil es die Auseinandersetzungen über den Konsum auf das Thema Ordnung-Unordnung verschiebt. Deshalb ist es im Elterncoaching so wichtig geworden, sich die Konfliktbaustellen genau anzuschauen und zu fokussieren. Max könnte interpretieren, solange sich die Eltern über die Unordnung aufregen, kann deren Kritik am Konsum nicht so wichtig sein. Trotzdem fordert das heraus, so daß sich die Frage stellt, wie mit diesen Formen der räumlichen Präsenz umzugehen ist. Die Eltern erheben die eindeutige Forderung (ebd.1), daß zu Hause keine Drogen aufbewahrt werden und zu Hause auch nicht konsumiert wird. Max möge beides außerhalb des Elternhauses machen. Das Thema Unordnung weiter zu kommunizieren macht keinen Sinn. Es wird eine Kiste oder ein Umzugskarton neben Max Zimmertüre gestellt und die Eltern werfen dort alles hinein, was Max liegengelassen hat.


(1) Wenn Max dem nicht nachkommt, kann elterliches Präsenzverhalten weiterhelfen, z. B. Sit-in.