Nr. 5 Aktivierende Gesprächsführung für wortkarge Klient:innen
In der psychosozialen Beratung ist es oft herausfordernd, wenn Klient:innen nur sehr wenig von sich aus sprechen. Man will ja weder „verhören“ noch Druck machen, sondern durch passende Gesprächstechniken eine Öffnung und Aktivierung fördern.
1. Rahmen und Haltung
- Wertschätzung zeigen: Jede Äußerung des Klienten ernst nehmen, auch wenn sie knapp ist.
- Druck rausnehmen: Pausen aushalten, Stille anerkennen „Wir können uns auch Zeit lassen“.
- Transparenz: Offen sagen, dass es okay ist, wenn es nicht so leicht fällt zu reden.
2. Aktivierende Gesprächstechniken
- Offene Fragen stellen→ statt „Geht es Ihnen schlecht?“ lieber „Wie haben Sie die letzte Woche erlebt?“
- Entweder-oder-Fragen als Einstieg „War es eher ein guter oder ein nicht so guter Tag für Sie?“.
- Skalierungsfragen→ „Auf einer Skala von 0 bis 10 – wie stark war die Belastung gestern?“
- Zirkuläre Fragen→ „Wenn jemand aus Ihrer Familie Sie heute beobachten würde – was würde er oder sie bemerken?“
- Projektive Fragen→ „Wenn Sie sich vorstellen, die Situation wäre ein Bild – was würde man sehen?“
3. Methodische Elemente
- Einsatz von Materialien
- Karten und Stichworte / Schlüsselworte aufschreiben
- Karten mit Gefühlen, Bildern oder Symbolen zum Auswählen.
- Arbeitsblätter (z. B. Lebensrad, Ressourcenbaum).
- Metaphernarbeit→ Klient:innen können über Vergleiche=Unterschiede (z. B. Wetter, müde/wach, heiter/bedrückt) leichter sprechen.
- Kreative Techniken→ Malen, Schreiben, Collagen (je nach Setting).
4. Verstärkende Techniken
- Aktives Zuhören (paraphrasieren, spiegeln, Gefühle benennen).
- Validierung („Es klingt, als wäre es gerade nicht so einfach, Worte zu finden – das ist völlig in Ordnung“).
- Mini-Zusammenfassungen anbieten, um Gesprächsfäden zu bündeln. Auf Karten visualisieren.
- Ressourcenorientierung („Was hat Ihnen geholfen, dass Sie heute überhaupt hergekommen sind?“).
5. Umgang mit Stille
- Stille nicht sofort füllen, sondern als Arbeitsraum respektieren.
- Nach einer Pause sanft anbieten: „Wollen Sie, dass ich eine Frage stelle, oder möchten Sie noch nachdenken?“
👉 Wichtig: Wortkargheit kann viele Ursachen haben (Schüchternheit, kulturelle Prägung, Misstrauen, Depression, Trauma etc.).
Daher ist es bedeutsam, das Tempo an den Klienten anzupassen und die Balance zwischen Aktivierung und Respekt zu wahren.
Perfekt 👍 – hier eine Übersichtstabelle mit aktivierenden Gesprächstechniken und passenden Beispielen, speziell für den Umgang mit wortkargen Klient:innen in der psychosozialen Beratung:
Technik / Methode | Ziel | Beispiel / Formulierung |
---|---|---|
Offene Fragen | Gesprächsanreiz, mehr als Ja/Nein | „Wie haben Sie die letzte Woche erlebt?“ |
Entweder-oder-Fragen | Niedrige Einstiegshürde | „War es eher ein guter oder ein weinger guter Tag?“ |
Skalierungsfragen (systemisch) | Selbstwahrnehmung strukturieren | „Auf einer Skala von 0–10: Wie stark war die Belastung?“ |
Zirkuläre Fragen | Perspektivwechsel, neue Sichtweisen | „Was würde Ihr bester Freund über Ihre Situation sagen?“ |
Projektive Fragen / Bilder | Zugang über Symbolik, Umgehen von Sprachbarrieren | „Wenn Ihre Situation ein Wetter wäre – wie wäre das Wetter?“ |
Aktives Zuhören | Sicherheit, Verstandenwerden | „Ich höre, dass es gerade nicht so leicht ist, Worte zu finden.“ |
Mini-Zusammenfassungen | Orientierung, Struktur | „Sie haben gesagt, die Arbeit ist anstrengend, aber die Familie gibt Halt.“ |
Validierung | Entlastung, Normalisierung | „Es ist völlig okay, dass es gerade nicht so leicht fällt, zu sprechen.“ |
Karten / Symbole / Bilder | nonverbaler Zugang | Gefühlskarten, Symbolkarten, Collage |
Lebensrad / Ressourcenbaum | Aktivierung über Visualisierung | Klient wählt Bereiche und beschreibt sie. |
Raumaufstellung | Körperliche Aktivierung, Distanz gewinnen | „Stellen Sie sich dort hin, wo Sie Ihre Belastung einschätzen würden.“ |
Metaphernarbeit | Komplexes in einfachen Bildern ausdrücken | „Fühlt es sich eher wie ein Bergaufstieg oder wie ein Stau an?“ |
Pausen zulassen | Selbstbestimmung, Entschleunigung | „Wir können uns Zeit lassen. Ich bleibe hier.“ |