11.2.2.2 jüngere Geschwister

Wenn Max’ Schwester Inge jünger ist würden die Eltern sie mit einer kompletten 14tägigen Sendepause überfordern.

Die Ankündigung sollte daher in einem doppelten Schritt erfolgen.

Zunächst wird Max alleine an den Tisch gebeten und, wie schon beschrieben, wird die Sendpause angekündigt. Jetzt wird aber die Unterschiedsbildung im Alter der Geschwister genutzt, um Max zu sagen, daß ihm als ältestes Kind offenbar das Verdienst zukommt, die Eltern darauf aufmerksam gemacht zu haben, daß man mit ihm nicht mehr wie mit einer 9jährigen Inge umgehen könne. Vielmehr werde er nun langsam erwachsen und er habe in den letzten Wochen (Monaten) durch die (leidvollen) Auseinandersetzungen und sein eigenständiges Handeln darauf aufmerksam gemacht, daß es Zeit würde, die Eltern ließen sich etwas einfallen, wie man gemeinsam erwachsener miteinander umgehen könne. Das sei ihnen aber erst jetzt klar geworden und sie müßten sich dringend Gedanken machen und brauchten dazu etwas Abstand, um einen klaren Kopf zu bekommen. Also 14 Tage Sendepause, dann seien sie hoffentlich schlauer.

Mit Inge würden sie extra sprechen und ihr das so erklären, daß es auch eine 9jährige verstehen wird.

Wie mit Inge umgehen?

Kinder wie Inge stehen den Auseinandersetzungen der letzten Wochen in der Regel ambivalent gegenüber. Einerseits wird Inge froh sein, nicht im Mittelpunkt oft aggressiv getönter Auseinandersetzungen zu stehen. Anderseits sehnt sie sich vielleicht nach ebenso viel Aufmerksamkeit, wie sie in der letzten Zeit Max zugekommen ist. Daher sollte mit den Eltern überlegt werden, ob Inge diese Zurücksetzung oder Nichtbeachtung als leidvoll empfunden haben mag, und wenn dem so sein sollte, könnte seitens der Eltern gewürdigt werden, daß sie in der letzten Zeit leider zu kurz gekommen ist. Die Eltern würden sich nun mal 14 Tage dringend Gedanken machen, zum einen mit Max besser umgehen zu können und zum zweiten mehr Aufmerksamkeit für Inge zu haben. Sie hätten Max gebeten, mal diese 14 Tage für sich zu sein, aber für sie, Inge, wäre sie natürlich ganz da.

Das ist Ernst gemeint und doch sollte mit den Eltern der Alltag vorausschauend durchgespielt werden, weil nun noch einmal deutlich wird, daß Eltern zu Kindern vor und in der Pubertät jeweils eine andere Beziehung und damit auch unterschiedliche Kommunikation gestalten müssen.

Doppelte Aufgabe für Eltern

Die Eltern haben bei dieser Geschwisterkonstellation mit Beginn der Sendepause nun die doppelte Aufgabe, ihre Kommunikation zu beiden Kindern getrennt zu beobachten und über beides Tagebuch zu führen. Und sie haben im Unterschied zu älteren Geschwistern, auf die sich die Sendepause gleich mit bezieht, in Bezug zur 9jährigen Inge die Aufgabe, sich selbst zu beobachten (Kybernetik 2. Ordnung) wie sie sich auch gegenüber Inge in sprachlicher, gestischer, mimischer Zurückhaltung üben können und wie Inge darauf wohl reagiert. Die Eltern sollen dabei so behutsam vorgehen, daß Inge dies nicht explizit auffällt.

Manchen Eltern wird es in dieser Konstellation leichter fallen, Max sein zu lassen, weil sie sich aktiv auf andere Weise mit der Beziehung zu Inge beschäftigen können und hier mehr Aufmerksamkeitsfokus liegt als zu Max.

Geschwistersubsysteme

Geschwisterkinder, gleich ob sie jünger oder älter sind als Max, werden nicht im Sinne einer Koalition gegen Max eingespannt. Das brächte sie in unnötige Loyalitätskonflikte.

Die Eltern müssen deutlich machen, daß sie selbst wieder die Verantwortung für eine gute Beziehungsgestaltung in der Familie übernehmen, daß sie Gestaltungswillen haben und alle Kinder lieben.

Ohnehin müssen sich Kindersubsysteme neu konstellieren, wenn jeweils ein Kind in die Pubertät kommt. Eltern können hierbei, wenn überhaupt, nur zurückhaltende und sehr behutsame Unterstützungsarbeit leisten.

Konkurriende Geschwister

Es soll noch eine Geschwisterkonstellation erwähnt werden, die gelegentlich in der Beratung eine besondere Rolle spielt. Es geht um konkurriende Geschwister, oft in gleichgeschlechtlicher Beziehung, mehr bei Jungen als bei Mädchen.

Eltern fühlen sich herausgefordert, zu intervenieren, sich einzumischen. Das ist eine nicht immer ganz einfach Gratwanderung, besonders bei körperlichem Einsatz der Kinder untereinander. Je größer der Altersunterschied ist, desto schwieriger sind die elterlichen Entscheidungen, geschwisterliche Agressionen auszuhalten oder sich doch schlichtend oder parteiisch schützend einzumischen.

Für die Sendepause heißt das, die Eltern zu unterstützen, solche Geschwistersituationen auszuhalten. Auch hier müssen wir mit den Eltern herausfinden, ob unter ihrer Nichtbeteiligung geschwisterliche Aggressionen überhaupt stattfinden. Oft haben Eltern, die über solche Aggressionen berichten, noch nicht realisiert, daß sie manchmal aus dem Haus gehen und nicht wissen, wie die Geschwister denn dann miteinander umgehen.