1.2.1 Hör auf, sonst wirst Du noch süchtig!

Besonders sollten wir die Bedeutung suggestiver Botschaften mit den Eltern besprechen.

In der Suchtprävention: Eltern bereiten sich auf die Geburt vor, auf die Kita-Aufnahme, die Einschulung – aber welche Eltern bereiten sich auf den Moment vor, an dem Max zum ersten Mal bekifft oder sturzbetrunken nach Hause kommt. Man braucht nicht viel Phantasie, wie ängstlich besorgte Eltern dann reagieren. „Wie siehst Du denn aus?! Du hast ja ganz glasige Augen. Was hast Du konsumiert? Etwa Drogen? Hast Du etwa gekifft?!“

Systemtheorie: Was hier gesagt wird, entspricht der Information, wie es gesagt wird (Unterton, Körpersprache) entspricht der Mitteilung.
Zwischen beiden dürfte Max als Differenz (1) heraushören: meine Eltern kommunizieren ANGST !

Die Eltern zeigen ANGST, Max könnte süchtig werden. Er würde der 0,5. von 100 Jugendlichen sein, der süchtigen Konsum entwickeln würde.

Max gerät nun in eine (unbewußte) Suggestionsfalle:

Wie soll er den Eltern zeigen, daß der Konsum ihn nicht süchtig machen wird? Er wird nur beweisen können, daß die Eltern sich irren, indem er erneut und weiter konsumiert und zeigt, das er alles im Griff hat.

Mit solchen elterlichen Suggestionen können Eltern ihre Kinder auf eine Konsumreise „schicken“! Das sollten Eltern wissen.

„Elterliches ‚Zutrauen in das Kind‘
als Gegenteil von ‚Ängstlicher Besorgnis‘
ist offenbar die wichtigste Bedingung,
das Leben in die eigene Hand zu nehmen 
und sich zuzutrauen,
die Schwierigkeiten zu meistern.“
13. Shell Jugendstudie 2000 (2)

Eltern bringen Max in die Beratung:

Würden Eltern diesen Max mit einem Probierkonsum in eine Drogen- oder Suchtberatungsstelle „schleppen“ mit der Botschaft, das machen wir jetzt damit Du nicht süchtig wirst, verpaßten sie ihrem Max die gleiche Suggestion mit dem zusätzlichen Risiko, daß Max sich nun schon pathologisiert fühlen könnte, weil die Eltern sich ratlos zeigen und nun die Fachleute an Max ran müssen.

Heimliche Elternberatung:

Wir sollten daher Eltern, die sich in einer Beratungsstelle melden, umgehend sagen: „Der Termin, den wir jetzt vereinbaren, der ist nur für Sie als Eltern. Bitte kommen Sie ohne Ihren Sohn und sagen Sie ihm auch nicht wo Sie hingehen – machen Sie’s heimlich – warum erkläre ich Ihnen dann hier.“

Würden die Eltern Max wissen lassen, daß sie wegen ihm in eine Beratungsstelle gehen, sägen sie am eigenen Ast. Sie berauben sich gänzlich der wenigen Reputation und Glaubwürdigkeit, die ihnen in den letzten Wochen und Monaten noch geblieben ist: Das Risiko besteht, daß Max sich denkt, die Eltern kommen nicht mehr alleine klar und brauchen jetzt Hilfe. Das mag ja auch zutreffen, geht Max aber nichts an.

Kommt es zu einer weitergehenden Beratung und einem Elterncoaching, sollte auch dieses heimlich erfolgen. Wird Max künftig bemerken, daß die Eltern nun anders drauf sind, als in der Vergangenheit, würde er dies nicht den Eltern zuschreiben, sondern könnte sagen: „Was Ihr jetzt da wieder macht, das ist doch nicht auf Eurem Mist gewachsen. Wart Ihr wieder in der Beratung? Hat Euch das wieder mal der Berater gesagt?!“


(1) Die Differenztheorie von Niklas Luhmann besagt, dass jedes soziale System durch Unterscheidungen (Differenzen) funktioniert, nicht durch einzelne Elemente. Ein System definiert sich also nicht durch seine Teile, sondern durch die Differenz zwischen System und Umwelt. Kommunikation ist die zentrale Operation sozialer Systeme und entsteht nur, wenn diese Differenz beachtet wird. Wissen und Sinn entstehen dadurch, dass ein System auswählt, was es aus der Umwelt aufnimmt und was nicht. So bleibt jedes System autonom, obwohl es ständig auf seine Umwelt reagiert.

(2) https://www.spiegel.de/politik/deutschland/13-shell-jugenstudie-werte-gesellschaft-der-zwischentoene-statt-schubladendenken-a-70620.html?sara_ref=re-xx-cp-sh