14.1 Elterngruppen

Dieser Beitrag ist ein Entwurf und noch in Arbeit.

Ich lernte nach der Sendepause die Eltern näher kennen und konnte abschätzen, welche parallel laufenden Fälle so zueinander passten, daß ich sie in einer Gruppe zusammenfassen konnte. Das waren dann z. B. in einer Gruppe

  • 4 Elternpaare
  • 2 Elternpaare und 2 Alleinerziehende (möglichst nicht eine/n Alleinerziehende/n einzeln in einer Elternpaargruppe aufnehmen wegen fehlender Indentifikationsmöglichkeit)
  • auch mal per Zufall 4 getrennt lebende Elternpaare
  • die größte Gruppe als Ausnahme 4 Elternpaare und 4 Alleinerziehende.

Meine Grundkompetenz für die Arbeit mit Gruppen erwarb ich schon im Projektstudium. Damals wurde in gruppendynamischen Trainings und Laboren experimentiert. Im Anerkennungsjahr in einer Rehaklinik wurde ich ins kalte Wasser geworfen, um mit Patientengruppen zu arbeiten. Später dann in der Suchthilfe entwickelten wir psychoedukative Gruppenprogramme. Ich schob die Ausbildung zum Sozialtherapeuten ein mit der psychoanalytisch-interaktionellen Gruppentherapie und praktizierte eine Zeitlang als Gruppentherapeut in der ambulanten Rehabilitation Sucht und wir betreuten Selbsthilfegruppen. Ich lernte daher sehr unterschiedliche Gruppenmodelle in Theorie und Praxis kennen. Daraus entwickelte ich das Gruppenmodell zum Elterncoaching mit den folgenden Komponenten:

  • Wir unterscheiden bei Teilnehmerzahl und Dauer zw.
    • offenen Gruppen: jeder kann teilnehmen oder wegbleiben;
    • halboffenen Gruppen: es gibt eine festgelegte Anzahl von Teilnehmerplätzen; wenn jemand die Gruppe verläßt, wird ein Plätz frei und jemand Neues kann hinzukommen; in der Regel läuft so eine Gruppe eine lange Zeit ohne festgelegtes Ende durch;
    • geschlossene Gruppen haben eine festgelegte Teilnehmerzahl, sie beginnt und endet mit allen zum gleichen Zeitpunkt.
  • Hinsichtlich der Zusammensetzung gibt es
    • heterogene Gruppen, die von der Vielfältigkeit der Teilnehmenden profitieren möchten
    • homogene Gruppen, die sich auf Teilnehmer mit Ähnlichkeiten beziehen.
  • In Bezug auf Leitung und Gruppendynamik
    • kann der lebendige, dynamische Austausch der Teilnehmer den Prozeß bereichern und die Aufgabe der Leitung ist es, zu moderieren;
    • kann der freie Austausch der Teilnehmer, insbesondere wenn er sich auf vergangenes und aktuelles Leid bezieht, eine Gruppe verstören und überfordern; dann ist es Aufgabe der Leitung, den Gruppenprozeß zu steuern, eventuell auch Regeln zu Selbsteuerung einzuführen.

Jedes neu zu entwickelnde Konzept benötigt eine Experimentier- und Testphase. Bevor ich mit der ersten Elterngruppe begann, war für absehbar, daß ich zunächst mit einer homogenen Gruppe beginnen sollte. Das Thema Konsumfreiheit und die anzugehenden vielfältigen Problemlagen der Eltern erschienen mir komplex genug, so daß ich mit einer homogenen Gruppe beginnen wollte; das habe ich später mit zunehmender Erfahrung etwas gelockert. Homogen hieß 3 zusammenlebende gut kooperierende Elternpaare mit Söhnen (das war Zufall, weil es um nur wenige Mädchen zu der Zeit ging) im ähnlichen Alter (damals 16 und 17 Jahre alt), ausschließlich Cannabiskonsumenten und nach Kenntnis der Eltern nicht länger als ein Jahr. Zu Beginn befanden sich alle Eltern seit 6-10 Terminen in der Ruhephase mit wöchentlichen Elterngesprächen.

Das Setting bestand in wöchentlichen Gruppensitzungen mit 90 Minuten. Zum ersten Abend lud ich ein mit der Informationen, daß wir ihn für ein Kennenlernen nutzen würden. Zu den Problemlagen würden wir danach kommen.
So gab es am ersten Abend eine knappe Vorstellungsrunde in der die Eltern ausschließlich etwas zur eigenen Person sagten. Danach teilte ich in eine Frauen- und eine Männergruppe auf mit der Aufgabe der eigenen Kleingruppe in 5 Minuten (!) etwas über „Max“ zu erzählen. Zurück in der Elterngruppe ließ ich dergestalt berichten, daß sich Herr Müller hinter den Stuhl von Herrn Schmitt stellte, um der Gruppe zu erzählen, was er von Herrn Schmitt über seinen Sohn Max erfahren hatte. Dann erfolgte mit allen Müttern und Vätern auf die gleiche Weise ein Ringtausch mit den Erzählungen. Anschließend gab ich den Ring frei für einen freien Austausch.

Den zweiten Elternabend begann ich mit der Frage nach der Auftragslage: „Bitte tauschen Sie sich miteinander aus, zu was Sie die Gruppe nutzen möchten.“ Meine Praktikanten hatte die Aufgabe bekommen, auf ein FlpChart Stichworte zu schreiben. Ich hielt mich zurück und beobachtete, wie die Eltern rasch die Aufgabenstellung verließen und sich assoziativ über das Leid mit dem jeweiligen Sohn austauschten. Ich machte das mit wohlwollender Zuwendung transparent, was aber zu keiner Änderung auf den Fokus führte. Ich ahnte, was ich künftig tun sollte.

Der dritte Elternabend landete trotz eines Input von mir, einen Blick auf die Zukunft zu werfen, erneut im vergangenen und gegenwärtigen Leid, was ich dann mit Zwischenbemerkungen empatisch jeweils würdigte.

Nach dieser dritten Sitzung war mir klar, ich mußte etwas ändern und im Gespräch mit der Praktikantin kamen wir über eine Reflexion, wie ich mit großen Familien arbeitete, auf eine Lösung, die ich testen wollte. Ich würde ab sofort die Eltern bitten, sich mit Wortbeiträgen nicht mehr an die anderen Eltern zu wenden, sondern ausschließlich mich zu adressieren. Mein Job war es nun, auf diese Weise die Prozeßsteuerung zu übernehmen:

  • Der Verlauf ohne Prozeßsteuerung sehr assoziativ dynamisch:
    Frau Schmitt erzählt etwas aus der letzten Woche über ihren Tim. Normalerweise würde jetzt Müller assoziativ und sagen, ja das kenne ich von unserem Justin auch, der macht immer … worauf Herr Maier sagt, unser Kevin … dann haben wir das … und das … gemacht; Herr Fischer: Hats denn geholfen; Herr Maier: leider nicht.
    Frau Müller, bei der die Sequenz begonnen hatte, macht ein enttäuschtes Gesicht, sagt aber nichts. Jetzt folgte die nächste Sequenz mit einem anderen leidvollen Thema, aber dem gleichen Verlauf.
  • Eine Produktinformation für die Elterngruppe:
    Zunächst mache ich den Eltern unsere gruppendynamische Prozeßbeobachtung transparent und erläutere ihnen das Vorgehen.
    Gäbe es nicht die drohende Gesundheitsgefährdung vom Max zu Hause, die uns nicht viel Zeit verschafft, könnten wir die Gruppengespräche laufen lassen. Zumindest hätten alle Eltern dann nach einigen Erzählungen das tröstende, vielleicht auch entlastende, Gefühl, mit ihren Problemen nicht allein auf der Welt zu sein.
    Aber wir haben nicht viel Zeit, denn das Ende der Ruhephase ist absehbar.

    Ich erläutere den Eltern das neue Vorgehen:
    Alle Wortbeiträge werden an mich adressiert. Wer darauf reagieren möchte, sollte sich melden und zunächst die Erzählungen über die eigenen Erfahrungen zurückstellen und stattdessen (mentalisierend) erspüren, was genauc Frau Schmitts Anliegen sein mag und was sie uns sagen oder fragen möchte.
    Dann noch eine Regel:
    Der primäre Fokus in der Gruppe ist das Elternverhalten in der zur Zeit laufenden Ruhephase. Darauf sollten sich alle Wortbeiträge und Anliegen der Eltern beziehen. Also keine Erzählungen aus früheren Zeiten, sondern allenfalls aus der letzten Woche, wenn Eltern eine „Hausaufgabe“ aus der letzten Sitzung mitgenommen hatten, sollten sie berichten, was sie daraus gemachten hatten.

    Der Verlauf nun mit Prozeßsteuerung und fokussierter Prozeßverlangsamung – als Beispiel:

Frau Schmitt erzählt (mir) etwas aus der letzten Woche über ihren Tim. Ich rege sie an, über ihr Erleben und ihr Elternverhalten zu sprechen. Sie macht das.
Herr Maier meldet sich und setzt an, über seinen Kevin zu erzählen. Sobald ich das merke, unterbreche ich freundlich aber bestimmt Herrn Maier und verweise auf meine Regel und damit auf Frau Schmitt.

Das Beispiel soll verdeutlichen, daß es für die Eltern einen Lernprozeß bedeutet, anschlußfähig kommunizieren und dann auch noch mentalisieren zu lernen.
Die Erfahrung zeigt, daß es 3-5 Sitzungen braucht und dann haben die Eltern herausgefunden, wie man solche Gruppengespräche führen kann.

Eine weitere Erfahrung ist, daß man pr0 90minüter Sitzung in der Regel 2 Anliegen bearbeiten kann, d. h. je ein Anliegen pro Elternpaar. Die anderen, die nicht dran gekommen sind, lernen aber mit. Das wäre dann ein weiterer Vorteil für homogene Gruppen mit der Ähnlichkeit der Problemlagen.

Je erfahrener die Gruppe werden, desto mehr Unterstützung gibt es zwischen den Teilnehmenden und umso weniger muß die Leitung steuern, d. h. die Regel, daß die Kommunikation über dieLeitung läuft, kann gelockert werden.