Die eigene Kompetenzentwicklung

In die Entwicklung dieses Konzeptes „Elternpräsenz statt Suchtpräsenz“ sind eine Vielfalt meiner persönlichen und beruflichen Erfahrungen eingeflossen und verarbeitet worden. Ich nenne einige Aspekte, um in den weiteren Beiträgen manches besser einordnen zu können.

Beginnen wir chronologisch mit meiner eigenen schulischen Entwicklung. Die war nicht gradlinig, aber ich war oft Klassensprecher und in der Realschule auch mal Schulsprecher und bekam von Lehrern und Mitschüler etliche Feedbacks, daß ich den Umgang mit Menschen und meinen Job gut machte.

Ich wußte aber erst mit 20 Jahren wo die berufliche Reise hingehen sollte. Insofern zeige ich mich heute, wenn Eltern über ihre Jugendlichen berichten, die beruflich noch keinen Plan haben, relativ entspannt und gestehe den jungen Leuten Umwege zu – zumal jene bekanntlich die Ortskenntnis, sprich Lebenserfahrung, erhöhen.

Ich lebte damals in München und bekam die 1968er Jahre hautnah als Schüler mit. Auch ich wurde politisiert und politisierte mich: Schulstreiks gegen Notstandsgesetzgebung, Anti-Vietnamkriegs-Demos, Sitzstreiks (auf letztere kommen wir noch ausgiebig zu sprechen), gewaltfreie Demonstrationen (auch diese werden eine Rolle im Elterncoaching spielen), Kontaktaufnahme zur benachbarten Mädchenrealschule, Einführung des Unterrichts zur sexuellen Aufklärung mit Kurt Seelmann und vieles mehr.

Aus einem bürgerlichen Bildungshaushalt stammend las ich regelmäßig die Süddeutsche Zeitung, den Spiegel und dieses und jenes. In der Süddeutschen war ein Artikel über die neu eingerichtete evangelische Friedrich-Oberlin-Fachoberschule. Früh geprägt durch den evangelischen Kindergarten, den CVJM und die gemeindliche Jugendarbeit sprang mich dieser Artikel sofort an und ich fuhr noch am gleichen Tag hin, um mir die Schule anzuschauen. Das Internet war zum Recherchieren noch nicht erfunden – man mußte sich noch selbst auf die Socken machen. Zum Schulleiter und seiner Stellvertreterin fand ich spontan Sympathie und Kontakt und ihre Persönlichkeiten beeindruckten mich. Ich meldete mich zum ersten Schuljahr an.

In der 11. Klasse fanden 3 Tage Praktikum und 2 Tage Schule statt. Ich fand im Stadtteil Laim, in dem ich lebte, einen evangelischen Kindergarten, der mich für ein Jahr als Praktikant annahm. Sie wußten nicht und ich auch nicht, was wir taten. Ich war der erste männliche Praktikant und damit der erste männliche Mitarbeiter in einem Münchner Kindergarten. Es gab einen Aufruhr. Einige Eltern gingen auf die Barrikaden. Andere fanden, es sei doch mal etwas anderes – endlich mal ein Mann im Kindergarten. Das spiegelte die damalige gesellschaftliche Lage wieder. Die Presse wurde eingeschaltet und berichtete. Irgendwie hatten wir aber das Glück, daß uns weitere Dramen erspart bleiben. Der Kindergarten gehörte zu einer Projektgruppe von Prof. Rolf Oerter und beschäftigte sich mit neuen Entwicklungen in der Vorschulpädagogik. In diesem Kontext war ein männlicher Mitarbeiter in einem Kindergarten dann doch akzeptabel – immerhin erfolgte eine wissenschaftliche Begleitung. Der anfängliche Aufruhr verlief dann im Sande.

Nach Fachoberschule, Studium der Sozialpädagogik in Koblenz und der ersten Arbeitsstelle in der kirchlichen Jugendarbeit in Langenfeld nahm ich 1980 eine Stelle in der Bezirkssozialarbeit in der Diakonie in Ratingen an. Ich hatte es, damals neu für mich, mit vielen Familien zu tun. Heute nennt man das vergleichbar sozialpädagogische Familienhilfe SPFH und ich bemerkte schnell, daß mein professionelles KnowHow nicht mehr reichte. Ich machte eine 2jährige Weiterbildung in Familienberatung bei Gisal Wnuk-Gette und Werner Wnuk.  Werner kannte ich aus dem Studium in Koblenz als Dozenten.

Ende 1981 wechselte ich bei der Diakonie in Ratingen in die Suchtberatungsstelle und stellte abermals fest, daß ich weiteres Wissen und andere Kompetenzen benötigte. Ich machte beim GVS die 4jährige Weiterbildung zum Sozialtherapeuten und Suchttherapeuten. Ich lernte die psychoanalytisch-interaktionelle Therapie kennen.

Wie die Bezeichnung „interaktionell“ schon anklingen läßt, besteht eine konzeptionelle Nähe zu systemischen Aspekten, was mich ermutigte (familien-) systemisches und psychoanalytisch-interaktionelles Arbeiten in der Suchtberatung und -therapie zu kombinieren und zu integrieren.

Es entstand ein weiterer Bedarf und ein gesteigertes Interesse nach mehr systemischem KnowHow, so daß ich die Weiterbildung zum Systemischen Therapeuten beim Wenger Mühle Centrum anschloß.

Schon während dieser Weiterbildung machten mich die Einflüsse Milton Ericksons auf die systemische Therapie neugierig, so daß ich im Anschluß die Ausbildung in klinischer Hypnose und Hypnotherapie bei der MEG machte.

Damit waren die fachlichen Fundamente für die Entwicklung des Konzeptes zum Elterncoaching gelegt:

Im Studium ging es bereits um die Lewinsche Feldtheorie, Kommunikation und soziale Gruppenarbeit, und wir lernten, was in und zwischen Menschen geschieht, in einem größeren Rahmen und in Kontexten zu betrachten und einzuordnen.

Aus der psychoanalytischen Ausbildung nahm ich vor allem die Konzepte zur interaktionellen Gruppenarbeit und den Umgang mit Gegenübertragungsvorgängen mit.

In der systemischen Therapieweiterbildung lernte ich zum einen, mit Paaren und Familien lösungs- und ressourcenorientiert zu arbeiten und zum zweiten, Anschlußfähigkeit an psychische und soziale Systeme herzustellen, man könnte auch salopp sagen, dicht an die Klienten heranzugehen (anzukoppeln).

Das wurde dann noch weiter ausgebaut und intensiviert in der Hypnoseweiterbildung, indem der Gebrauch der Sprache, unser bedeutsamstes professionelles Handwerkszeug, weitere Kompetenzentwicklung gewann. Stichworte sind hier Meta- und Milton-Modell der Sprache, Rapport herstellen, der Umgang mit zielorientierter Sprache – ich wurde zu einer Art Sprachpurist.

Die Hypnoseweiterbildung öffnete mir dann den Weg zur Hirnforschung und dieses Interesse besteht bis heute.