Elterngruppe mit 2 Elternpaaren am 08.xx.2012.

Protokoll: Praktikantin

  1. Problemschilderung der Eltern
  2. Zusammengefasste Probleme
  3. Fragen der Eltern
  4. Antworten
  5. Kommunikation
  6. Das Unbewusste
  7. Die drei Kommunikationskanäle
  8. Aufgabe für die Eltern
  9. Das Unbewusste

1. Problemschilderung der Eltern

Familie 1:

Die Eltern leben getrennt, die beiden Söhne wohnen bei der Mutter und ihrem neuen Lebenspartner, der auch an der Elterngruppe teilnimmt. Der Sohn mit dem Suchtproblem ist 14 Jahre alt.

In den Sommerferien war er zum Teil zu Hause und hat nach Angaben der Mutter zwei bis drei Mal Cannabis geraucht.

Die beiden Kinder waren mit der Mutter und ihrem Lebenspartner zwei Wochen im Allgäu. Nach zwei Tagen wurde bei dem 14-jährigen Sohn Cannabis im Zimmer gefunden. Die Mutter hat Verdacht geschöpft, da der Sohn seinen Zimmerschlüssel nicht aus der Hand geben wollte. Nach einem Gespräch mit der Mutter wurde das Cannabis entfernt, es ist allerdings nicht klar, ob es eventuell noch einen Restbestand gab. Zudem zeigt der Sohn eine Protestreaktion bei dem Gespräch, indem er weggelaufen ist.

Der jüngere Sohn wurde im Urlaub beim Diebstahl von drei Packungen Zigaretten erwischt. Es wird davon ausgegangen, dass der ältere Sohn ihn dazu angestiftet hat, da er selber mit 14 Jahren strafmündig ist und eine Anzeige bekommen hätte. Der jüngere Sohn zeigte großes Schuldbewusstsein für seine Tat, es wird vermutet, dass er seinem älteren Bruder etwas Gutes tun wollte.

Es ist aufgefallen, dass der ältere Sohn sehr viel Energie Getränke trinkt.

Und aus den SMS, die die Mutter gelesen hat, geht hervor, dass er viel mit Cannabis probiert.

Der restliche Urlaub verlief ansonsten ohne weitere Vorkommnisse, außer den Konsum von Zigaretten ist weiter nichts aufgefallen.

Einen Tag nach der Rückkehr aus dem Urlaub hat der ältere Sohn wieder Cannabis konsumiert.

Am nächsten Tag ist er mit seinem leiblichen Vater und seinem jüngeren Bruder in den Urlaub gefahren. Nach Berichten des Vaters hält er sich dort nicht an die vorgegebenen Regeln, lügt und ist teilweise nicht zu erreichen. Nach einiger Zeit meldet er sich, um anzukündigen wann er zurückkommt. Zudem hat er wahrscheinlich seinem Bruder Geld gestohlen. Das Geld entwenden hat er in der Familie wahrscheinlich schon öfter getan.

Er hat eine Frist gesetzt bekommen, dass er bis zum Ende der Sommerferien seinen Konsum einstellen soll.

Familie 2

Die Eltern leben zusammen und haben zwei Söhne. Der Sohn mit dem Suchtproblem ist 17 Jahre alt und damit der ältere von den beiden Söhnen.

Beide Söhne waren in den Sommerferien drei Wochen bei Oma und Opa in Russland auf einem Bauernhof. Die Eltern haben keinerlei Beschwerden gehört und gehen deshalb davon aus, dass dort nichts vorgefallen ist.

Zuhause hat er nach Angaben der Eltern bis jetzt auch noch nicht konsumiert und ist zu den vereinbarten Zeiten zu Hause.

Den Eltern fällt auf, dass er beim Sport ausgeglichener wirkt.


2. Zusammengefasste Probleme

Nach den Aussagen der Eltern sind die Hauptprobleme:

  • Cannabis
  • Alkohol
  • Zigaretten
  • Unzuverlässigkeit
  • Sachbeschädigung
  • Körperverletzung
  • (Diebstahl?)

3. Fragen der Eltern

a) Wie gehe ich damit um, wenn mein Sohn Geld stiehlt, es aber nicht zugibt, aber ich mir ziemlich sicher bin?

b) Wir kennen den Dealer, von dem mein Sohn die Drogen bekommt. Sollen wir ihn anzeigen? Bei einer Autofahrt hat mein Sohn mir ihn auch schon persönlich gezeigt, als wir an ihm vorbei gefahren sind. Außerdem hat mein Sohn den Namen des Dealers auch schon bei der Polizei genannt, als er befragt worden ist.
Allerdings ist die Mutter des Dealers bei Gericht tätig. Gibt es dann eine Chance, daß etwas passiert?

c) Mein Kind kommt zu spät nach Hause, das Gespräch wird vertagt, bis das Kind gesprächsbereit ist. Das Gespräch im kommunikationsbereiten Zustand bringt auch nichts, was mache ich dann?

4. Antworten

Zu Frage a)

  • „Max, in meiner Geldbörse fehlt Geld. Kann ich das bitte wieder zurückhaben?!“ oder
    „Max, es kann ja sein, daß ich Dir Unrecht tue, aber es war niemand anderes hier, der mir Geld aus der Geldbörse genommen haben kann.“
    „Max. Du hast Dich, ohne mich zu fragen, an meiner Geldbörse bedient!“

Auf keinen Fall als Frage formulieren und auch keine weiteren Fragen stellen. Max achtsam fixieren, wie glaubwürdig seine Reaktion erscheint. Es auf jeden Fall bei seiner Reaktion bzw. Antwort belassen. Man kann sich nach der Reaktion wegdrehen und im Weggehen sagen, neutraler Unterton: „Dann muß ich jetzt mal Gedanken machen.“ Keine Diskussion !!! anschließend.

Zu Frage b)

Jede Anzeige kann hilfreich sein, weil es die Menge an Anzeigen macht, die gegen den Dealer vorliegen.

Es kann hilfreich sein abzuwägen, welche positiven und negativen Aspekte es gibt, den Dealer anzuzeigen.

Die Eltern haben hier folgendes ausgearbeitet:

positive Aspekte negative Aspekte
Es wird demonstriert, dass nicht alles toleriert, wird. Der Sohn wird vorgeladen, will aber vermutlich nicht gegen den Dealer aussagen
Der Sohn bekommt ein Signal, dass es so nicht weitergehen kann. Der Sohn könnte sich zurückziehen und das Vertrauen in die Eltern verlieren

Am Ende liegt die Entscheidung bei den Eltern.

Es ist zudem wichtig, noch einmal über die Situation im Auto zu sprechen. Zum einen, um herauszufinden, ob es dem Sohn rausgerutscht ist oder ob es eventuell eine unbewusste Botschaft des Kindes war, das um Hilfe bittet. Zum zweitern, um darüber zu reden, dass man gegen den Dealer Anzeige erstatten möchte: „Max, ich spiele mit dem Gedanken, gegen den Dealer eine Anzeige zu erstatten. Ich möchte aber zuvor gerne wissen, was Du davon hälst.“

Reaktionen, die dann auftreten können, sind:
Das Kind findet diese Aktion daneben und beschwert sich darüber und erwartet dann, dass die Eltern die Anzeige zurückziehen bzw. nicht loslassen.

In dieser Situation ist es jetzt besonders wichtig, zu zeigen, dass von den Eltern autonome Entscheidungen getroffen werden und diese nicht von dem Kind abhängig gemacht werden. „Max, Danke für Deine Meinung. Ich werde nochmal darüber nachdenken. Und Dich vorher informieren, falls ich doch eine Anzeige erstatten werde.“

Für das Kind bedeutet dies ein neues Erfahrungslernen.

Das Kind muss die Angst bewältigen, dass es durch diese Anzeige selbst auch Nachteile zu spüren bekommt.

Eine weitere Möglichkeit zur Intervention ist die elterliche Solidarität:

In diesem Fall kennen die Eltern den Namen, die Adresse und den Beruf der Eltern. Mit diesen Informationen kann Kontakt zu der Familie aufgenommen werden, beispielsweise durch ein Telefonat. In diesem Telefonat kann nachgefragt werden, ob die Eltern an einem Gespräch interessiert sind. Dazu werden die bekannten Fakten genannt und die Situation erklärt. Es sollte gegenüber den Eltern des Dealers erwähnt werden, dass ihr Sohn (möglicherweise) angezeigt wird, unabhängig davon was die Eltern sagen werden und dass man sich nicht von der Entscheidung abbringen lassen würde, falls man sich entschließt.

Eine weitere Möglichkeit ist, dass sich die Eltern der Kinder aus dem gleichen Freundeskreis zu einer Gruppe zusammenfinden. Dies ist ein starker Gegenpol zu der Jugendgruppe und die Kinder merken, daß etwas passiert.

Ein Beispiel aus der Elterngruppe:

Die Kinder treffen sich nicht mehr zuhause, sondern nur noch draußen, weil alle Eltern Bescheid wissen, was passiert, wenn sich die Kinder treffen. Familie 1 fühlt sich aber von anderen Eltern aus der Schule im Stich gelassen, da sie das Gefühl haben, dass die anderen Eltern die Suchtprobleme ihrer Kinder nicht ernst nehmen. Dies zeigt sich dabei, dass es einen Brief von der Schule an die Eltern gab, worin kommuniziert wird, daß die Kinder Drogen konsumieren. Allerdings gab es darauf wenige Reaktionen und wenn, dann wurde das Problem abgestritten oder verharmlost. Hierbei könnte mit der Schule gesprochen und die Eltern zu einem Elternabend eingeladen werden, an dem auch ein Drogenberater teilnimmt. Dadurch wird gezeigt, dass es Handlungsmöglichkeiten gibt, da viele Eltern in so einer Situation hilflos sind.

Zu Frage c)

Das eigene neue Verhalten der Eltern muss konsequent durchgezogen werden damit das Kind merkt, dass sich etwas ändert. Sobald die Eltern wieder in ein altes Muster verfallen, verfällt auch die Glaubwürdigkeit.

Wichtig ist:

Nicht sofort, spontan und unmittelbar reagieren oder mit dem Kind reden.
Als Ehepaar oder Lebenspartner alles zusammen besprechen und sich gemeinsam für eine Vorgehensweise entscheiden.
Immer wieder dran denken, unerwünschtes Verhalten ignorieren, wo immer das möglich ist, und erwünschtes Verhalten verstärken.

5. Kommunikation

Hinter der Stirn befindet sich der Präfrontale Cortex. Dieser ist zuständig für das Erfahrungslernen.
Die rechte Gehirnhälfte ist u.a. zuständig für die Impulse und negative Gefühle. (Das Vermeidungssystem)
Die linke Gehirnhälfte ist zuständig für das Kognitive, die Kontrolle und das Reflektieren. (Das Annäherungssystem)

Je impulsiver die Kinder sind, desto mehr ist die rechte Gehirnhälfte aktiviert und die linke fällt zurück bis in den Standby Modus. Gut zureden, hilft in diesem Fall leider nicht mehr, weil die linke Hälfte nicht aktiv und aufnahmebereit ist.

Die Stimmungslagen des Menschen in seinen verschiedenen Lebensphasen:

In den Stimmungstiefphasen funktioniert die linke Gehirnhälfte nicht richtig. Um sie wieder zu aktivieren, braucht man ein „offenes Gehirn“.

Kriterien an denen man ein „offenes Gehirn“ erkennen kann:

  • Mimik
  • Gestik
  • Aufträge abholen

Zudem sollte das Kind gefragt werden, ob es bereit ist, mit einem zu kommunizieren:

Erklärt das Kind deutlich, dass es nicht zu einem Gespräch bereit ist, bedeutet dies, dass es im Moment zu emotional ist und es tatsächlich kein gewinnbringendes Gespräch werden wird.

Einen Gesprächsplatz außerhalb des Kinderzimmers zu wählen, verfolgt den Sinn, dass das Kind niemanden aus seinem Territorium „rauswerfen“ kann, sondern die Situation selber verlassen muss.

Tritt der Fall ein, dass das Kind die Gesprächssituation verlässt, ist es als Eltern wichtig, noch 10 Minuten an dem Platz sitzenzubleiben, um Entschlossenheit zu demonstrieren. Selbst wenn das Kind nicht wahrnehmen sollte, daß die Eltern 10 Min. sitzenbleiben, ist es mindestens für die Eltern ein stärkendes Gefühl, autonom und handlungsfähig zu sein.

Es ist außerdem bedeutsam, einen immer wiederkehrenden, ritualisierten Platz für wichtige Gespräche zu wählen.

6. Das Unbewusste und die Kommunikation

Ist die Amygdala in Aufruhr, kann man selbst wenig machen. Es ist wichtig, die Amygdala nicht unnötig zu strapazieren.

Zugang zum Unbewussten:

Das Unbewusste versteht keine Negationen. Das bedeutet, aus dem Satz: „Ich möchte nicht mehr, daß du kiffst“ wird „Ich möchte mehr, daß du kiffst

Stress- und Reizworte sind ebenfalls zu vermeiden:  „Sei nicht so aggressiv“ besser ist „Bitte mal freundlich, jetzt.“ Das „nicht“ ist in diesem Fall die Negation und „aggressiv“ ist ein Stress-/Reizwort und wird damit zu einer ungewollten Suggestion.

Es gibt außerdem abstrakte Wörter, die nicht durchdringen, z.B.:  „Ich möchte, daß du aufhörst zu kiffen!“

Hierbei ist „aufhörst“ ein abstraktes Wort, welches nicht durchdringt und mit dem Wort „kiffen“ wird der Wahrnehmungsfokus genau drauf gerichtet.

Reiz – Stressworte für die Kinder (genannt von den Eltern):

  • Problem
  • anstrengen
  • Kiffen
  • rauchen
  • lernen
  • falsche Freunde
  • Schule
  • Regeln

Tritt die Situation ein, dass der Jugendliche nach einem Streit besonders freundlich zurückkommt und ein Gespräch beginnt, ist die linke Gehirnhälfte aktiv, die rechte etwas ruhiger.

Im Rauschzustand ist die linke Gehirnhälfte ruhiger und die rechte aktiver. Dadurch ist das Kind sehr emotional. In dieser Situation ist keine sinnvolle Kommunikation möglich. Dies ist auch bei Cannabis der Fall, auch wenn die Amygdala beruhigt ist.

7. Die drei Kanäle der Kommunikation

Aufgabe für die Eltern

Die Aufgabe für die Eltern ist bis zur nächsten Sitzung, jene Impulse aufzuschreiben, die sie den Kindern sagen wollten, sich aber verkniffen haben. Es soll nur das Wichtigste aufgeschrieben werden, damit sparsam kommuniziert wird. In der nächsten Sitzung werden diese Impulse zusammen besprochen.

8. Das Unbewusste

Wenn die rechte Amygdala aktiv ist, ist auch die rechte impulshafte Gehirnhälfte aktiv. Das gleiche gilt auch für die linke Seite. Dadurch werden impulshaft Wörter gesagt, die später linkshemisphärisch möglicherweise bereut werden.

Für die Eltern gilt es, Hemmungen aufbauen, die bedeuten, ruhig bleiben und erst einmal keine Aufmerksamkeit schenken, da dies das herausfordernde Verhalten der Kinder verstärkt (Lerntheorie) und die Amygdala antriggert.