Wir haben uns im BLog-Seminar mit den Kommunikations-Axiomen á la Paul Watzlawick beschäftigt und mit Aspekten der Systemtheorie nach Niklas Luhmann. Nun wenden wir uns der Hirnforschung zu, um in Erfahrung zu bringen, was Gerald Hüther Bedienungsanleitung für ein menschliches Gehirn nennt.

Sehenswert die Sendereihe Geist & Gehirn auf BR-Online mit Hirnforscher Manfred Spitzer:
https://www.br.de/mediathek/sendung/geist-und-gehirn-av:584f4d433b467900117c92f2

Suggestivfrage: Wissen wir eigentlich, wie unser eigenes Gehirn funktioniert und was wir mit ihm anstellen können? Geschweige denn mit den Gehirnen anderer Menschen?!

Ich gebe hier einen Einstieg wiederum mit einer starken Reduzierung des Komplexes Hirnforschung. Reduzierung von Komplexität befördert Orientierungsmöglichkeiten, so daß Du künftig Fachbücher leichter lesen und verstehen kannst.* Auch beschränke ich mich im Folgenden auf jene Aspekte, die uns weitere Kommunikations- und Interventionsmöglichkeiten für die Arbeit mit Klienten und Kunden eröffnen:

Rot: das Limbische System
A = Amygdala bzw. 2 Mandelkerne, unserer innerer Rauchmelder für Gefahren

H = Hippocamous, das Seepferdchen ist der Topf für das Kurzzeitgedächtnis und unser Lernorganisator
T = Thalamus: die Eingangspforte (Telefonzentrale) ins Gehirn

Grün die Informationsverarbeitungswege

Blau die Großhirnrinde = Cortex
PFC = Präfrontaler Cortex

Beginnen wir mit der Evolutionsgeschichte: wir haben alle millionenfache Vorfahren, die überlebt haben, um sich fortzupflanzen. Wir haben daher eine evolutionsgeschichtlich tradierte Ressource, auf Gefahren zu reagieren. Diese Fähigkeit, Informationen blitzschnell wahrzunehmen, im Organismus weiterzuleiten und entsprechend zu reagieren, hat sich im Limbischen System entwickelt. Es ist ein millionen Jahre alter sehr schneller Computer, während die viel jüngere Großhirnrinde (ca. vor 80.000 Jahren erst entwickelt) relativ langsam arbeitet.

Das Limbische System

Der Thalamus Ist die Eingangsforte ins Gehirn. Alle Sinneseindrücke (außer dem Geruchssinn) passieren zunächst den Thalamus und werden dann weitergeleitet. Das betrifft sowohl die Informationen, die von Außen ankommen als auch jene, die auf dem eigenen Organismus aufsteigen. (grüne Pfeile)

Die kognitiven, sachlichen Informationen (Oberflächenschicht) leitet der Thalamus zunächst an den Hippocampus weiter. Der hat zwei Aufgaben: er besitzt den Topf für das Kurzzeitgedächtnis und er ist unser Lernorganisator. Das können wir uns so vorstellen wie die Benutzeroberfläche unseres Computers, auf der wir die Verzeichnisbäume mit Ordnern, Unterordnern und Dateien sehen. Solche Verzeichnisse legt der Hippocampus beim Lernen an, verteilt dann die Dateien mit den Lerninhalten auf der Großhirnrinde und verknüpft sie mit assoziativ mit anderen Informationen, die es uns ermöglichen, die Informationen im Gedächtnis** wiederzufinden.

Der Thalamus leitet aber noch ein Zweites weiter, den affektiven Anteil (Tiefenschicht) der Informationen an die Amygdala, damit diese überprüfen kann, ob die Informationen „harmlos oder gefährlich“ ist.

In meinen Fortbildungen, in denen ich das Gehirn erkläre, habe ich den Gecko auf dem runden Foto dabei. Ich zeige ihn als einen meiner möglichen Vorfahren, der überlebt hat, um sich fortzupflanzen damit es mich geben kann. Dann werfe ich ihn ohne Vorwarnung einem Teilnehmer zu , der in der Regel blitzschnell reagiert und fängt. „Herr Kollege. Deine Amygdala ist auf Zack und hat gut gefangen!“ Der US-​amerikanische Psychologe und Neurowissenschaftler Joseph LeDoux drückte es so aus: „Sobald man sich in Gefahr befindet, reagiert man schon. Die Evolution denkt für dich.“

 

 


  • Wenn Du Dich mit dem Thema Hirnforschung und Beratung (= Neuropsychotherapie) beschäftigen möchtest findest Du Literatur auf der Seite www.systemische-fortbildung.de/neuropsychotherapie
    ** Eric Kandel. Auf der Suche nach dem Gedächtnis: Die Entstehung einer neuen Wissenschaft des Geistes. Gibt es als Buch und als Film!